Ob Elektroautos, Tempolimit oder Fahrradwege: Verkehrswende und Klimaschutz sollen Hand in Hand gehen. Umweltfreundliche Mobilität steht dabei im Mittelpunkt, schließlich müssen Städte ihre CO₂-Emissionen senken und widerstandsfähig gegen den Klimawandel werden. Zusätzlich bezieht moderne Stadtplanung verstärkt Aspekte wie soziale Gerechtigkeit oder Gleichstellung mit ein. Ein Paradigmenwechsel, wurden Städte doch jahrzehntelang auf einen möglichst reibungslosen Autoverkehr ausgerichtet, während Bewohner mit Kinderwagen, Fahrrad oder Rollstuhl das Nachsehen hatten. Die angestrebte Verkehrswende soll deshalb Städte nicht nur klimafreundlich, sondern auch gerechter machen und für vielfältige Lebensformen öffnen. Wie kann das gelingen?
Kopenhagen: Radwege für bessere Luft
Saubere Atemluft hat großen Einfluss auf die individuelle Gesundheit. Im Rahmen der Fahrradstrategie von Kopenhagen sollen deshalb bis 2025 mehr umliegende Kommunen sowie Außenbezirke der Hauptstadt an ein langfristig geplantes Netzwerk aus 60 Radschnellwegen angeschlossen werden. Sie ermöglichen komfortables Radfahren über lange Strecken und sollen, gerade für Pendler, zur Alternative zum Auto werden. Ein Grund: Bei städtischen Randbezirken handelt es sich oft um Viertel mit schlechter Luftqualität, die an großen, verkehrsreichen Straßen liegen. Menschen, die nur eine geringe Miete zahlen können, atmen somit die schmutzigste Luft – und das, obwohl sie pro Kopf die wenigsten Autos besitzen. Die Umweltbürgermeisterin Ayfer Baykal nannte den Ausbau der Fahrradstadt ein politisches Werkzeug, um Kopenhagen „sowohl CO₂-neutral als auch gerechter“ zu machen.
Berlin: Moderne Agora statt Flughafen
Agora hieß im antiken Griechenland der Versammlungsplatz einer Stadt, auf dem auch über Politik debattiert wurde. Solche Plätze der Begegnung sind in Metropolen der Gegenwart selten geworden. In der Modellstadt, die auf dem ehemaligen Flughafengelände Berlin Tegel in den nächsten Jahren errichtet werden soll, könnten sie eine gewisse Renaissance erleben: Auf dem 500 Hektar großen Areal sollen ein Forschungs- und Industriepark, klimagerechte Start-up-Büros und Wohnungen gebaut sowie Plätze angelegt werden, an denen sich die Bürger gezielt über politische Ereignisse austauschen können. „Ein Gegenpol zu Unterhaltungsevents“, so das Ziel des Teams der landeseigenen Tegel Projekt GmbH.
Barcelona: Straßen voller Leben
Kampf gegen Lärm und Smog: In Barcelona werden bisher stark befahrene Wohngebiete in sogenannte Superblocks umgebaut – autofreie Viertel, um die der Verkehr herum fließt. Auf den frei gewordenen Straßen und Plätzen werden Grünflächen und Spielplätze errichtet. Die Blocks bilden den Kern eines 2016 von der Stadtverwaltung entwickelten Konzepts für nachhaltige Mobilität, das den begrenzten Platz in der Stadt zugunsten der Lebensqualität ihrer Bewohner umverteilen soll. Geplant sind rund 500 der autofreien Quartiere, das entspricht fast der Hälfte der derzeitigen Straßenfläche Barcelonas. Für den Biologen, Umweltingenieur und Superblock-Initiator Salvador Rueda ist die Stadt „ein kleines Ökosystem“, das wieder ins Gleichgewicht gebracht werden muss. Durch die verkehrsbefreiten Zonen könnte Barcelona zum Anziehungspunkt für Familien werden, auch ein erklärtes Ziel des Vordenkers.
Paris: Stadt der kurzen Wege
Ein Pariser Pionierkonzept könnte Schule machen: die 15-Minuten-Stadt. Die Idee des Forschers Carlos Moreno soll es Stadtbewohnern ermöglichen, in kürzester Zeit alle Stationen ihres täglichen Lebens – etwa die Arbeit, den Arzt oder den Supermarkt – zu erreichen. Vorzugsweise klimafreundlich: zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Ausgehend von dieser Idee realisiert die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo seit 2020 mehr gemischte Nutzung von Wohn- und Gewerbeimmobilien sowie den konsequenten Ausbau der Radwege und des Metronetzes. Auch erste Tests mit E-Flugtaxis laufen bereits. Dank der Maßnahmen sollen – zunächst in den 20 Bezirken der Innenstadt – nahezu autofreie Quartiere mit einer hohen Lebensqualität für ihre Bewohner entstehen.