Wie verarbeitet man es, in einem Land aufgewachsen zu sein, in dem Politiker offen Gewaltfantasien gegenüber jungen Mädchen äußern? Wie lebt man als Kunstschaffender dort, wo Kunst nur dann Zuschüsse erhält, wenn sie regierungskonform ist? Und wie wird man als Regisseur nicht selbst Teil der politischen Maschinerie? Der Weg, den Regisseur Nadav Lapid für sich gewählt hat: Er verließ Israel, um im Ausland Filme zu drehen, die sich kritisch mit seiner Heimat auseinandersetzen.
Vor fünf Jahren bekam Nadav Lapid für „Synonymes“ (2019) als erster Israeli den Goldenen Bären auf der Berlinale verliehen. Zu dieser Zeit lebte er bereits in Paris. Israel hatte er als junger Mann verlassen, unmittelbar nach seinem dreijährigen Militärdienst. „Ich erkannte, dass ich wegmusste aus Israel, um meine Seele zu retten“, sagte der Regisseur damals im Spiegel-Interview. Von dieser Geschichte handelt auch „Synonymes“: Getrieben von der eigenen Vergangenheit und Identität läuft ein junger Israeli (Tom Mercier) durch die Straßen von Paris, rezitiert fanatisch französische Vokabeln, um jegliches Hebräisch in sich auszulöschen. „Erbärmlich! Vulgär! Verabscheuenswürdig!“, sind die Zuschreibungen, die der Protagonist für sein Heimatland übrig hat. Am Ende muss er einsehen, dass sich die eigene Herkunft nur schwer abstreifen lässt.
Jetzt mehr in der aktuellen Ausgabe 05/24 lesen!