Rüstungsexporte erleben derzeit einen Boom.Grund dafür ist nicht allein der Ukrainekrieg. Die Waffenhersteller, zumal jene in den USA, profitieren insbesondere davon, dass Käufer aus aller Welt angesichts der angespannten politischen Gesamtlage ihre Arsenale auffüllen, um für künftige Konflikte gewappnet zu sein. Ob europäische, asiatische oder arabische Länder – die Nachfrage nach Raketen, Drohnen und anderen modernen Waffen ist extrem gestiegen, heißt es im Jahresreport 2024 des Stockholm International Peace Research Institute (Sipri). Laut Angaben des US-Außenministeriums spülte der Boom Konzernen wie Lockheed Martin, Northrop Grumman oder General Dynamics 2023 rund 283 Milliarden US-Dollar in die Kassen – eine Steigerung von 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Ganz oben auf den Einkaufslisten stehen das Raketensystem Himars und moderne Kampfflugzeuge wie der Tarnkappenjet F-35, der sich mittlerweile zu einem regelrechten Verkaufsschlager entwickelt hat: Zusätzlich zu den 2.456 für die US-Streitkräfte produzierten F-35 haben andere NATO-Staaten insgesamt 636 Flugzeuge dieses Typs bestellt; 35 von ihnen sollen ab 2027 bei der Bundeswehr fliegen. Mehr als 400 weitere dieser Maschinen wurden von Japan, Australien, Israel und anderen verbündeten Nationen geordert. Stückpreis, je nach Ausstattung: bis zu 108 Millionen US-Dollar. Hersteller Lockheed Martin sowie Dutzenden Zulieferbetrieben in fast allen US-Bundesstaaten sichert die F-35 lukrative Geschäfte auf Jahre hinaus.
Schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts gelten die USA weltweit als Waffenproduzent Nummer eins –auch weil das Land seither fast ununterbrochen Kriege geführt beziehungsweise militärisch interveniert hat. Das zeigt der Dokumentarfilm „Amerikas Kriege“, den ARTE im März ausstrahlt. Unter Präsident Dwight D. Eisenhower entstand in den 1960er Jahren der militärisch-industrielle Komplex (MIK): eine Verschränkung von Rüstungsfirmen, Politik und Militär, ausgerichtet auf Entwicklung und Produktion technologisch überlegener Waffen. Er hat sich zu einem bedeutenden Pfeiler der Wirtschaft entwickelt. Jede US-Regierung, ob republikanisch oder demokratisch, handelt im Sinne des MIK, um einerseits die wirtschaftliche Stabilität des Landes zu gewährleisten und andererseits den globalen sicherheits- und machtpolitischen Anforderungen gewachsen zu sein.
US-Präsident Donald Trump hatte den MIK bereits in seiner ersten Amtszeit zu einem zentralen Faktor seiner Politik gemacht und schreckte sogar vor umstrittenen Deals nicht zurück, etwa 2017 mit Saudi-Arabien: Ein 110 Milliarden US-Dollar schweres Waffengeschäft mit Riad rechtfertigte er als Beitrag zur Sicherung regionaler Stabilität, obgleich Kritiker darauf hingewiesen hatten, dass saudi-arabische Streitkräfte im Jemen-Krieg schwere Menschenrechtsverletzungen begingen. „Tatsächlich ging es Trump aber um etwas anderes“, sagt William Hartung, Rüstungsexperte am Quincy Institute for Responsible Statecraft der Brown University. Der US-Präsident habe vor allem im Blick gehabt, dass 2,5 Millionen Arbeitsplätze und ebenso viele Wählerstimmen an der Rüstungsindustrie hängen.

UNREALISTISCHE FÜNF-PROZENT FORDERUNG
So habe auch Trumps unlängst verkündete Forderung, die NATO-Staaten müssten ihre Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erhöhen, „nicht nur sicherheitspolitische Gründe“, sagt die Politologin Ulrike Franke vom European Council on Foreign Relations. Dahinter stecke vielmehr das Kalkül, die heimische Rüstungsindustrie zu stärken und ihre weltweit dominierende Rolle zu festigen.
Hinzu kommt: „Eine Erhöhung der Verteidigungsbudgets auf fünf Prozent des BIP würde kurz- bis mittelfristig vermutlich dazu führen, dass europäische NATO-Mitglieder noch mehr als bisher von der US-Rüstungsindustrie abhängig wären, da hiesige Waffenproduzenten die steigende Nachfrage quantitativ nicht so schnell decken könnten“, betont Aylin Matlé, Verteidigungsexpertin bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. „Um diese Abhängigkeit zu verringern – und auch vor dem Hintergrund, dass sich die sicherheitspolitischen Interessen der USA zunehmend in den indo-pazifischen Raum verlagern –, muss Europas Rüstungsindustrie dringend wettbewerbsfähiger werden.“ Das erfordere freilich enorme Investitionen, da „viele europäische Länder die Ausgaben für den Verteidigungssektor seit Ende des Kalten Krieges drastisch reduziert haben und erst seit Kurzem wieder anheben“, so Matlé. Insofern betrachte sie Trumps „letztlich unrealistische Fünf-Prozent-Forderung weniger als Drohkulisse, sondern eher als Verhandlungsmasse“