Hieb- und stichfest

Alexandre Dumas hat die Musketiere berühmt gemacht. Bis heute vermischen sich Mythos und Wahrheit. Die Truppe und den Romanhelden d’Artagnan hat es wirklich gegeben – nur eben etwas anders.

Fechten, Musketiere, Muskete
Sinnbild des wilden Lebens der Musketiere: das Duell. Fechten gehörte zur militärischen Ausbildung, aber ihren Namen verdankt die Truppe der Muskete, einem ­Vorderladergewehr. Foto: Prisma Universal Images Group/Getty Images

Einer für alle, alle für einen.“ Das populäre Musketier-­Motto steht für den verschworenen Korpsgeist der degenschwingenden Draufgänger. Kleiner Schönheitsfehler: Es stammt nicht wirklich von den Musketieren, sondern aus der Feder des Schriftstellers ­Alexandre ­Dumas. Sein Roman „Die drei Musketiere“, 1844 zunächst in der Zeitung Le Siècle veröffentlicht, begründete den weltweiten Ruhm des Schriftstellers und der französischen Gardetruppe gleichermaßen. Der solidarisch idealisierte Wahlspruch war dabei nicht die einzige dichterische Freiheit, die ­Dumas sich nahm.

Die wahre Geschichte erzählt der ARTE-Dokumentarfilm „­D’Artagnan, Musketier im Dienst des Sonnenkönigs“. ­Charles de Batz de ­Castelmore, ein Kleinadliger aus der Gascogne, absolvierte bei Hofe unter dem gut eingeführten Familiennamen seiner Mutter – d’Artagnan – eine steile Karriere bis hin zum Kommandanten der ersten Kompanie der Musketiere, nach der Fellfarbe ihrer Pferde die Grauen genannt. Der echte ­d’Artagnan lag nicht mit den Schergen des mächtigen Kardinals ­Richelieu im Clinch, sondern diente dessen Nachfolger ­Mazarin, unter anderem als Geheimkurier und Beschützer von Ludwig XIV., der schon als Kind den Thron bestieg. Die Verbindung zum späteren ­„Sonnenkönig“ hielt ein Leben lang.

Bis heute vermischen sich Mythos und Realität. Wobei Vielschreiber ­Dumas Gespür für die vermarktbare Geschichtsbegeisterung seiner Zeitgenossen bewies. Dabei setzte er durchaus auf Recherche – wie damals üblich mit anonymen Helferlein. So veröffentlichte er gleich noch die historische Abhandlung ­„Ludwig XIV. und sein Jahrhundert“. 1845 erschien sie auch auf Deutsch, kurz nach dem Musketier-Roman. Inspiriert hatte ­Dumas der Ex-Musketier und Autor Gatien de ­Courtilz de ­Sandras mit seinen „Memoires de M. ­d’Artagnan“ aus dem Jahr 1700. Gestützt auf eine dünne Faktenlage, waren diese sogenannten Memoiren reich mit Abenteuer- und Schelmengeschichten ausgeschmückt. Ihren Ruf als disziplinlose Draufgänger, Dauer-Duellanten und Frauenhelden hatten die Musketiere damit weg.

Degen statt Muskete
Der allzeit gezückte Degen war mindestens in der Fiktion dem eigentlich namengebenden Tötungswerkzeug, der Muskete, überlegen. Ein ganzes Leinwand-Genre verdankt dem schneidigen ­d’Artagnan und seinen Mitstreitern ­Athos­, Porthos und ­Aramis seine Existenz: der Mantel-und-Degen-Film. Kein Wunder, in artistischen Fechtszenen ließ sich mit der Stichwaffe ein romantisch verklärtes Bild des Kampfes Mann gegen Mann zeichnen. Beim Vorderladergewehr hingegen hieß es im Zweifel: ein Schuss und tot. Hätte der Mantel-und-Musketen-Film reüssiert? Wohl kaum.

Eine Musketenkugel besiegelte denn auch das Schicksal von ­Charles de Batz de ­Castelmore. Sie traf ihn tödlich bei der Belagerung von Maastricht am 25. Juni 1673. In seinem Heimatort Lupiac erinnern ein Reiterstandbild und ein Museum an den großen Sohn. Zum „Festival ­d’Artagnan“ kommen selbst aus Deutschland kostümierte Musketiere, um – natürlich – Schaukämpfe auszufechten. Der Mythos lebt. Und das wahre Motto von d’Artagnans grauen Musketieren? „Quo ruit et lethum“ steht lateinisch im Banner, was ungefähr so viel heißt wie: Wo sie hinfällt, ist der Tod. Ein Bildnis zeigt eine Kugel, die aus einem Mörser abgeschossen auf eine Stadt trifft. Von wegen Degen!

D’Artagnan, Musketier im Dienst des Sonnenkönigs

Dokumentarfilm

Samstag, 10.4. — 20.15 Uhr
bis 8.6. in der Mediathek