Mad Men

Im Mikrokosmos einer New Yorker Werbeagentur spiegeln sich Sexismus, Rassismus und Homophobie der 1960er Jahre. Unter ­Donald Trump kehren Amerikas toxische Traditionen zurück.

Karrikatur von Donald Trump im
Es sind die bis heute grassierenden Formen von Diskriminierung, die „Mad Men“ nun eine beklemmende Aktualität verleihen. Denn unter ­Donald Trump drohen die alten Dämonen der Vereinigten Staaten auf erschreckende Weise wieder den gesellschaftlichen Mainstream zu durchdringen. Illustration: Clara Nabi für ARTE Magazin

Für die Werbebranche ist New Yorks Madison ­Avenue in den 1960er Jahren das, was Hollywood fürs Filmgeschäft ist. Hier hat die fiktive Agentur ­Sterling Cooper in „Mad Men“ ihren Sitz. Der Titel der Serie, die ARTE ab August online zeigt, ist bewusst anspielungsreich: „Mad“ kann als Abkürzung für die Madison Avenue stehen und erinnert klanglich zudem an „Ad“, die Kurzform von „Advertising“, also Werbung. Oder man nimmt schlicht die wörtliche Bedeutung, übersetzt: „verrückt“. Authentisch ist nicht nur der Handlungsort, real ist ebenfalls, dass für die Werbeindustrie damals goldene Zeiten anbrachen, mit üppigen Budgets und Legenden der ­Kreativszene, die – fast wie Rockstars – gern über die Stränge schlugen.

Regelrecht vergoldet wurden auch die sieben Staffeln von „Mad Men“. Die Serie aus der Feder von ­Matthew ­Weiner gewann insgesamt 16 Emmy Awards, fünf Golden Globes und viele weitere Auszeichnungen. In detailversessener Ausstattung lässt sie eine Epoche auferstehen, in der der unerschütterliche Glaube an den ­Kapitalismus genauso tief verankert ist wie Sexismus, Rassismus und Homo­phobie. Es sind die bis heute grassierenden Formen von Diskriminierung, die „Mad Men“ nun eine beklemmende Aktualität verleihen. Denn unter ­Donald Trump drohen die alten Dämonen der Vereinigten Staaten auf erschreckende Weise wieder den gesellschaftlichen Mainstream zu durchdringen.

Mad Men

Serie

bis 7.10. auf arte.tv 

Trump trinkt und raucht nicht. Zumindest darin unterscheidet sich der US-Präsident von den Serienfiguren. In der Agentur ­Sterling Cooper fließt von morgens bis abends Hochprozentiges in Strömen. Pausenlos zünden sich Männer – und Frauen – Zigaretten an. Beim exzessiven Tabakkonsum aber endet die Gleichberechtigung der Geschlechter in „Mad Men“. Frauen sollen stets zu Diensten sein – im Büro und im Bett. Sie sind Freiwild und die permanenten Anzüglichkeiten der Kollegen dabei so geschmack- wie ihre Anzüge makellos. Nicht nur das Werbe-Business ist in den 1960ern eine Männerdomäne. Und die alltäglichen Machtspiele tragen überdies nur jene Buddys aus, die weiß und heterosexuell sind.

Während sich jedoch durch die Serienstaffeln hindurch einzelne Charaktere emanzipieren – eine schüchterne Sekretärin wird zur erfolgreichen Werbetexterin; ein junger, aus Europa stammender Grafiker outet sich vor dem Team als homosexuell –, stehen im heutigen Trump-Amerika die Zeichen gesellschaftspolitisch eher auf Rückschritt. Mit Polemik, Dekreten und mächtigen Mitstreitern führt der US-Präsident einen Kulturkampf gegen Diversität, Frauenrechte und Inklusion. Tech-Milliardäre gehen auf Trump-Kurs, Meta-Chef Mark ­Zuckerberg etwa will „maskuline Energie“ in Unternehmen fördern. Eine ­toxische Welle rollt durch Online-­Foren und soziale Medien, Hardcore-Frauenverächter wie Influencer ­Andrew ­Tate befeuern biologistische Narrative ihrer weltweiten Fans.

Es geht im Kern um die Frage, wer ein ›echter Amerikaner‹ ist.

Annika Brockschmidt, Autorin
Szene aus
Kreativdirektor Don Draper (Jon Hamm) wird von Eleanor Ames (Megan Stier) umgarnt. Affären gibt es in „Mad Men“ reichlich, tiefergehende Gefühle kaum. Foto: Lionsgate Entertainment/ARTE F

Rechts, weiß, heterosexuell

Der Begriff „manosphere“ – deutsch: „Mannosphäre“ – für ein loses frauenfeindlich-antifeministisches Netzwerk entstand schon vor Donald Trumps erster Amtszeit 2016. Nach seiner Wiederwahl im vergangenen Jahr aber wurden die Ressentiments vom radikalen Rand vollends salonfähig. Oder gleich zur Regierungsmaxime. Aus Sicht der Berliner Publizistin Annika Brockschmidt gelten inzwischen „brutale Beschränkungen der Rechte von Frauen, LGBTQ-Menschen und nicht-weißen Personen“. Es gehe „im Kern um die Frage, wer ein ,echter Amerikaner‘ ist“, erklärte die Expertin für die religiöse Rechte in den USA unlängst bei der Konferenz zur digitalen Gesellschaft „re:publica“. Gewollt sei, so Brockschmidt, eine Gesellschaft, „in der rechte, weiße heterosexuelle Männer das Sagen haben“. Der Philosoph Jason Stanley von der Yale University sieht in einem Beitrag für Project Syndicate den Nährboden für Ausgrenzung und Hass in der „massiven Ungleichheit beim Wohlstand“ in den Vereinigten Staaten. Das schwäche die Demokratie, untergrabe den sozialen Zusammenhalt und schüre Ressentiments. 

In seiner Rede zur Amtseinführung erklärte -Donald Trump sich zum Retter des „American Dream“ und zielte dabei auf dessen materielle Seite. Vor gut 60 Jahren vertrauten die weißen, männlichen „Mad Men“ in ihren Büros und Vorstadthäusern auf das Versprechen von Aufstieg und Wohlstand. Jetzt könnte dieser amerikanische Traum wieder zur Angelegenheit einer klar umrissenen Bevölkerungsgruppe werden. Gleichberechtigung oder der Schutz von Minderheiten haben darin keinen Platz.

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