Mysterium Mallorca

Typisch Deutsch Bei ihrer Ankunft in Berlin erfuhr unsere Kolumnistin: Eine Baleareninsel gilt als 17. deutsches Bundesland.

Illustration: Jill Senft
Illustration: Jill Senft

Als ich nach Deutschland kam, entdeckte ich einen Sehnsuchtsort, der auf meiner Urlaubskarte zuvor bloß ein weißer Fleck war: Mallorca. Freunde, Nachbarn, Kollegen und selbst mein Liebster hatten dort schon ihre Ferien verbracht. Prominente wie Herbert Grönemeyer und Boris Becker haben auf der Insel ihre Domizile. Was aber ist bloß so faszinierend an diesem Ort? Aus französischer Sicht handelt es sich um eine Mittelmeerinsel unter vielen und meist eine, die als mahnendes Beispiel für die verheerenden Folgen des Massentourismus dient. Dennoch: Um deutscher als die Deutschen zu werden, musste ich das Mysterium Mallorca ergründen. Mittlerweile verstehe ich, weshalb diese Insel zum Lieblingsurlaubsziel der Deutschen und zu einer Art 17. Bundesland avancierte.

Die Sendung auf Arte

Das Magazin „Karambolage“ gibt es immer sonntags um 18:55 Uhr bei ARTE und auf Abruf in der Mediathek.

So gibt es von fast allen deutschen Großstädten aus Direktflüge auf die Baleareninsel. Und auch wenn deutsche Touristen Land und Kultur schätzen, so essen und leben viele dort oft wie daheim. Für sie ist es wie in Deutschland, nur ohne Kälte und graues Wetter, dafür jedoch mit kristallklarem Meer, warmem Sand und Cocktails.

Dabei lieben es Franzosen – mich eingeschlossen – ebenfalls, ihre Ferien in bekannter Umgebung zu verbringen: Sie bleiben dann in der Regel einfach gleich zu Hause. Von Kindheit an saugen wir Franzosen nämlich mit der Muttermilch eine wichtige Überzeugung ein: Unser Land bietet die weltweit größtmögliche Vielfalt an Regionen und Landschaften und somit besteht keinerlei Veranlassung, sich einen Sommer lang von diesem wunderbaren Ort zu entfernen.

Doch der deutsche „Malle“-Trend ist seit einiger Zeit rückläufig. Nicht zuletzt wegen strikterer Benimm- und Alkoholregeln und der Proteste von Einheimischen gegen Massentourismus und der Preiskonkurrenz anderer Urlaubsländer am Mittelmeer. Vielleicht eine gute Gelegenheit für die Deutschen, mit ihren Traditionen zu brechen und in die weite Welt hinauszugehen. Übrigens, auch ich ändere in diesem Sommer meine Gewohnheiten und verbringe meine Ferien an einem für eine Französin etwas untypischen Ort: Ich bleibe einfach in Deutschland.

Die Autorin lebt seit 2003 in Berlin und arbeitet als freie Journalistin.