Rebell, Dissident, politischer Aktivist – für gewöhnlich ist es Garri Kasparow egal, wie man ihn bezeichnet. Das änderte sich allerdings, als er im März dieses Jahres auf der Terrorliste des Kreml landete – jener Liste, auf der mehr als 10.000 Gegner des Regimes von Wladimir Putin stehen, darunter der im Februar in einem Straflager umgekommene Alexej Nawalny. Für Kasparow, einen scharfen Kritiker des Moskauer Autokraten, sei es „eine Ehre, in Russland nun als Terrorist zu gelten“, ließ der ehemalige Schachweltmeister umgehend seine Follower auf dem Kurznachrichtendienst X wissen. Schließlich sage die Aufnahme in die Liste „mehr über Putins faschistische Herrschaft aus als über mich“, so der 60-jährige Gründer des in New York ansässigen Thinktanks Renew Democracy Initiative (RDI).
Mit den Herrschenden im Kreml hatte der aus Baku in Aserbaidschan stammende Schachspieler schon vor Jahrzehnten Zoff. Etwa beim Weltmeisterschaftsmatch 1984, als er sich mit der sowjetischen Nomenklatura und deren Schützling Anatoli Karpow anlegte, dem Titelverteidiger. Sogar den internationalen Schachverband FIDE wähnte er unter einer Decke mit Moskau, als das Turnier nach 48 Partien ergebnislos abgebrochen wurde und Karpow den Titel behielt. Ein Jahr später nahm er seinem Widersacher aber doch die Krone ab –
und die Schachwelt hatte ihren mit 22 Jahren bis dahin jüngsten Champion. Kasparow verteidigte den Titel in den Folgejahren vier Mal gegen Karpow und blieb bis 2000 Weltmeister.
Die Wettkämpfe gegen den Erzrivalen seien zermürbend gewesen. „Das war mentale Folter“, sagt Kasparow rückblickend. Noch mehr psychischen Druck habe er aber gespürt, als er 1996 und 1997 gegen den Supercomputer Deep Blue des IT-Konzerns IBM antrat. Mit welchen inneren Dämonen er bei dem Duell zwischen Mensch und Maschine kämpfen musste, das beleuchtet die preisgekrönte Serie „Rematch“, die ARTE im Oktober zeigt.
JETZT MEHR IN DER AKTUELLEN AUSGABE 10/24 LESEN!