Selbst ist der Mann

Endlich dürfen Väter ihre Rolle frei definieren. Sie sollten diese Chance aktiv nutzen, aber dabei locker bleiben, findet unser Autor.

Illustration von einem Mann mit Kindern auf einer Wiese
Illustration: Paola Saliby

Heute wird sehr viel über die Väter diskutiert – doch trotzdem gibt es ein seltsames Schweigen. Nämlich das der Väter. Sie sagen nicht, was sie wollen, sie äußern nicht, was sie sich von ihrer Vaterschaft versprechen. Sie sprechen nicht aus, was die wichtigsten Dinge sind, die sie ihren Kindern vermitteln wollen. Dank des Feminismus und der Hinterfragung konservativer Lebensmodelle wissen wir nun, dass es gerechter, angemessener und besser ist, wenn sich Männer an der Care-Arbeit beteiligen und nicht nur stiernackig ihre Karrieren verfolgen. Aber was Kinder von ihren Vätern haben sollen und was Väter ihren Kindern geben wollen – davon ist keine Rede.

Stattdessen macht sich unter Vätern eher ein leichtes Beleidigtsein breit. Als hätten wir unsere Schuldigkeit getan, indem wir einen bestimmten Betrag auf ein Quality-Time-Konto einzahlen – und könnten dann einfach irgendwie weiterwursteln. Als hätten sich die Aufgaben eines Vaters schon darin erschöpft, dass er brav seine Elternzeit absitzt, regelmäßig den Kinderwagen um den Block schiebt und sich am Abwasch beteiligt. Reicht die väterliche Fantasie nicht zu mehr?

Mensch Papa! Die Wissenschaft vom Vatersein

Wissenschaftsdoku

Samstag, 4.2. — 22.50 Uhr
bis 4.5. in der Mediathek

Vater mit Kind auf den Schultern
Foto: Larissa Klinker / NDR

Wider die Besserwisserei

Ich finde, sie muss. Denn der neue Feminismus ist vor allem eine große Chance für Väter. Es ist eine historische Möglichkeit, selbst aus dem Muster der tradierten Männer­rollen auszubrechen und sich klar zu machen: Was will ich? Was will ich selbst verändern? Und was sollen meine Kinder davon haben? Es ist zum ersten Mal der Fall, dass man als Mann ein Kind großziehen kann, ohne dabei von der Umwelt gegängelt zu werden. Festgelegt zu werden von allerlei Menschen, die es angeblich besser wissen als man selbst. Die einem vorschreiben, was die „väterlichen Pflichten“ sind, die wissen, was ein „echter Mann“ tun muss.

Unsere Großväter hatten diese Möglichkeit nicht, unsere Väter hatten sie oft nicht. Nicht einmal ich hatte sie, als ich vor etwas mehr als 20 Jahren zum ersten Mal Vater wurde. Endlich können wir im großen Drehbuch des Lebens die Rolle des Vaters selbst schreiben!

Es wird viel darüber diskutiert, welchen Vater es nun eigentlich gerade braucht und was er können muss. Es gibt Vaterbilder aus der Vergangenheit, die sich nicht mehr ganz wahr anfühlen – und den angeblich „neuen Vater“, der aber vor allem eine Wunschvorstellung ist. Betrachtet man jedoch die Zahlen, die das Bundesfamilienministerium herausgibt, muss man erkennen, dass der „neue Vater“ ganz der alte ist. Volle 93 Prozent der Väter von Kindern unter sechs Jahren arbeiten weiterhin Vollzeit.

Dabei brauchen wir keine Schemata, sondern eine positive, lustvolle Definition von Vaterschaft. Denn bislang wird über Väter oft in Defiziten gesprochen. Was sie sind, sind sie nicht genug. Ich meine: Ein Vater ist ein großer Gewinn für das Leben eines Kindes. Und ein Vater sollte sich überlegen, auf welche Weise er dieser Gewinn sein möchte.

Wir können uns von dem Panzer befreien, der Väter bislang oft genug davon abgehalten hat, glücklich mit ihrer Identität und ihrem Leben zu werden. Denn unter der Zeit, die hinter uns liegt, haben nicht nur die Mütter, sondern auch die Väter gelitten. Väter haben also jeden Grund, sich veränderte Zeiten zu wünschen. Sie haben auch Grund genug, eine aktive Rolle dabei zu spielen. Gerade weil sie Väter sind und für jemanden ein Vorbild sein werden – genau wie sie sich selbst am eigenen Vater ein Beispiel genommen haben.

Wo fangen wir an? Zunächst einmal sollten wir Väter mal locker lassen. Denn es gibt keinen „natürlichen“ Part des Vaters, den wir ausfüllen müssen, und schon gar nicht müssen wir als Vater „unseren Mann stehen“. Das sind Konzepte, die in allen Lebensbereichen eine große Rolle spielen, aber nicht bei der Kindererziehung.

Dass unsere Rolle nicht vorgegeben ist, bedeutet aber auch, dass wir sie gestalten müssen. Niemand tut das für uns. Ein solches Vatersein ist anstrengend. Einfach den Pfaden zu folgen, die vorgegeben sind, nimmt einem viel Arbeit ab. Aber nach dem Glück für sich selbst und die eigene Familie zu suchen, birgt die Gefahr, sich zu verlaufen, manchmal auf dem Weg wieder ein Stück zurückzumüssen, nicht genau zu wissen, wo man gerade steht. Und vor allem: Man muss sich ernsthaft Gedanken über seine eigene Rolle machen. Man muss sie sich bewusst machen – das ist wirklich Arbeit. Aber sie kann glücklich machen. Und nichts ist besser für ein Kind als ein glücklicher Vater.