Das Aha-Erlebnis

Drei Norweger werden 1985 mit ihrer Debüt-Single Weltstars. Das hatte auch mit Musik zu tun. Aber noch mehr mit einem Videoclip.

Bild der Band a-ha
Mit „Take On Me“ hat die norwegische Band (Morten Harket, Magne ­Furuholmen, Pål Waaktaar-Savoy) eine bis heute erfolgreiche Achtzigerhymne geschaffen. Der Film von Thomas Robsahm lässt die drei Musiker selbst ihre Geschichte erzählen, die vom Aufstieg auf den Pop-Olymp handelt, aber auch von menschlichen Tiefschlägen. Foto: Tim Roney / Getty Images

Exakt vier Wochen brauchen a-ha, um von null auf eins zu kommen: Am 14. Oktober 1985 hat das Video zum Song „Take On Me“ Premiere in der Musik­sendung „­Formel Eins“. Zehn Tage später posiert der Sänger der Band, Morten ­Harket, zum ersten Mal auf dem Cover der Bravo. Und am 11. November erklimmen die Norweger mit ihrer Debüt-Single die Spitze der deutschen Charts. Sie verdrängen dort „Cheri Cheri Lady“ von ­Dieter ­Bohlen und ­Thomas ­Anders, aka Modern Talking. Willkommen in den Untiefen der 1980er: einem Jahrzehnt, in dem junge Leute in bunt bedruckten Zeitschriften blätterten, statt durch Instagram und TikTok zu scrollen. Auch Youtube war fern, stattdessen fieberten Videocliphungrige „Formel Eins“ entgegen – einmal pro Woche 45 Minuten Musikfernsehen in den Dritten Programmen. Auffällig viele männliche Popstars zeigten sich hier mit sorgfältig toupierten Föhnfrisuren.

Bei ihrem Sprung von Norwegen in die deutschen Hitparaden hatten a-ha einen kleinen Umweg über die Vereinigten Staaten genommen. Dort gab es seit 1982 den Musiksender MTV, in dessen Programm der „Take On Me“-Clip nach seiner Veröffentlichung in Dauerrotation lief. In der Folge landete das Lied bereits Mitte Oktober auf Platz eins der US-Bill­board-Charts. Ein erster Vorgeschmack auf den Pop-Olymp.

Die Gattung Musikvideo war noch vergleichsweise jung, vor MTV hatte kaum jemand nennenswerte Beträge in die Produktion von Kurzfilmen zu Popsongs gesteckt. Dann aber durfte ­Michael ­Jackson im „Thriller“-Video eine Viertelstunde lang Grusel-Atmosphäre verbreiten – beinahe episch für das Genre der schnellen Schnitte und Dreieinhalbminüter. Die smarten Briten von Duran Duran setzten mit „The Wild Boys“ Maßstäbe auf dem Bildschirm – und in Sachen ­Budget, mit Kosten von mehr als einer Million Pfund. Das ultimative Credo der neuen Zeit lieferte MTV & Co. ein Hit des britischen New-Wave-Duos The ­Buggles: „Video Killed the Radio Star“.

Für das weltweite Durchstarten von a-ha war der Erfolg der bewegten Bilder mindestens so wichtig wie ihr hymnischer Synthie-Pop und ­Morten ­Harkets Drei-Oktaven-Stimme. Dass ihre Plattenfirma Warner Brothers den Newcomern aus Skandinavien immerhin 100.000 Pfund für ein Video spendierte und Warner-­Manager Jeff ­Ayeroff die Idee der geradezu ikonischen Comic-Ästhetik beisteuerte, erwies sich als ungeheurer Glücksfall. Umso mehr, als „Take On Me“ bis dahin bereits zweimal gefloppt war: mit kaum beachteten Versionen des Songs und einem längst vergessenen Allerweltsfilmchen, das die Band beim Musikmachen zeigt.

a-ha: The Movie

Dokumentarfilm

Freitag, 14.4. — 21.45 Uhr
bis 12.7. in der Mediathek

Morten Harket im Video zu „Take On Me“
Morten Harket im Video zu „Take On Me“. Foto: United Archives / action press

EINE MILLIARDE VIDEO-AUFRUFE

Im neuen Anlauf im Oktober 1985 passte dann aber alles: der auf den Punkt produzierte Synthesizer-Sound und die im eher konventionellen Rotoskopie-Verfahren animierten Bilder. Dazu in der Hauptrolle der unverschämt gut aussehende ­Morten ­Harket, der auf alten Fotos verblüffende Ähnlichkeit mit US-Schauspieler ­Patrick ­Swayze hat. Mitte der 1980er kein Nachteil! Harkets Bandkollegen überließen dem Sänger und Frontmann von Anfang an die extrovertierten Auftritte und das Posen. Im Dokumentarfilm „a-ha: The Movie“, den ARTE im April zeigt, offenbart Gitarrist Pål Waaktaar-­Savoy: Er habe gedacht, er stehe als Musiker auf einer Bühne im Dunkeln und spiele traurige Lieder – „aber ich bin in einer Band gelandet, bei der alles über Videos und Aussehen ging“.

In Deutschland blieb „Take On Me“ fünf Wochen die erfolgreichste Single. Auf dem Bravo-Titel waren Morten ­Harket und a-ha fortan Lieblingsmotive. In 36 Ländern landete der Song an der Chart-Spitze; das Album „Hunting High and Low“, von dem er stammte, verkaufte sich elf Millionen Mal. Der langfristige Erfolg aber, den das Video ihres Erstlings erzielt hat, toppt all das: 2020 knackte es die Marke von einer Milliarde Aufrufen bei Youtube, Stand heute: 1,6 Milliarden. Dabei ist die Online-Plattform erst 20 Jahre nach Premiere des Clips an den Start gegangen. Der schärfste Konkurrent aus der Entstehungszeit hat gerade mal ein Zehntel der Youtube-Klicks: 1986 kämpften „Take On Me“ und „Money for Nothing“ von der britischen Rockband Dire Straits um die renommierten MTV Music Video Awards. Die in feinen Schwarz-Weiß-Linien comichaft überzeichnete Kurzromanze von a-ha trat gegen zwei bunte, kantige Möbelpacker im Pixel-Design an, die einen Vorgeschmack auf kommende ­Computerspiele lieferten. Die Lovestory der ­Norweger gewann mit acht zu zwei Awards.

a-ha: Ending on a High Note

Konzert

Freitag, 14.4. — 23.15 Uhr