Ach du heiliger Mittwoch

Typisch Frankreich Unsere Autorin ist verzweifelt: Wohin mit den Kindern am schulfreien Werktag?

Illustration: Jill Senft
Illustration: Jill Senft

Das Getrampel kleiner Füße auf dem Büroflur, Dreikäsehochs, die anstelle ihrer Eltern ans Telefon gehen, und Kinder, die schreiend die Kantinen stürmen. Das waren bis 2014 in vielen französischen Unternehmen ganz normale Szenen – zumindest mittwochs. Denn da blieben französische Vor- und Grundschulen geschlossen. Dieser für Außenstehende eher merkwürdige „rythme scolaire“ (Schulrhythmus) geht auf die Trennung von Staat und Kirche zurück.

Die Sendung auf Arte

Das Magazin „Karambolage“ gibt es immer sonntags um 18:55 Uhr bei ARTE und auf Abruf in der Mediathek.

Bereits 1882 gab das laizistische Frankreich der Kirche einen Wochentag ab, damit die Kinder den Religionsunterricht ihrer Gemeinde besuchen. Seit 1972 ist es der Mittwoch. Und seither ist er umstritten. Experten kritisierten immer wieder die dadurch bedingten langen oder besser noch längeren Schultage. Laut einer Studie der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) von 2017 packt Frankreich nämlich verglichen mit anderen europäischen Ländern durchschnittlich viel mehr Unterrichtsstunden – 864 gegenüber 776 – in viel weniger Schultage – 162 (bei einer Viertagewoche sogar nur 144!) gegenüber 183. Zur Kürzung der Ferien (ganze 16 Wochen verglichen mit zwölf in Deutschland) konnte man sich bisher nicht durchringen. Auch, weil die mächtige französische Tourismusindustrie aus Furcht vor Einbußen mit Stellenabbau drohte.

Im Jahr 2014 wagte die Regierung dann eine kleine „französische Revolution“: die Einführung der schulischen Fünftagewoche. Nachdem jedoch 2017 diese Entscheidung wieder den Kommunen überlassen wurde, ruderten über 80 Prozent von ihnen zurück – angeblich zum Wohle der Kinder, die inmitten der Woche eine Ruhepause bräuchten. Im September ist es auch in meiner Wahlheimat Straßburg so weit. Der freie Mittwoch ist wieder da – und ich frage mich verzweifelt: warum? Denn abgesehen davon, dass die Kinder nun wieder bis 16.30 oder 18.00 Uhr die Schulbank drücken, stehe ich wie viele andere vor einem Problem: wohin mit den Kleinen? Einige arbeiten reduziert, spannen die Großeltern ein oder lassen ihre Kinder über den Büroflur trampeln. Für den Rest gibt es kostenpflichtige Freizeitzentren. Immerhin, meine Kinder freuen sich auf den nächsten Mittwoch – mit Mama im Büro.

Die Autorin lebt seit 2009 in Straßburg und arbeitet als freie Journalistin.