Bedrohung aus dem All

Asteroiden ermöglichen Wissenschaftlern quasi Zeitreisen zu den Anfängen unseres Sonnensystems. Wenn dicke Brocken der Erde zu nah kommen, können sie zur tödlichen Gefahr werden.

Asteroid, Weltraum
Asteroid Bennu hat einen Durchmesser von gut 500 Metern. Schlüge er auf der Erde ein, wären die Folgen verheerend. Eine NASA-Mission soll mehr Erkenntnisse liefern, auch über Abwehrmöglichkeiten. Foto: U of AZ/ARTE F

Der Weltraum, unendliche Weiten? Von wegen: Manchmal wird es eng im Universum, und dann knallt’s. Kosmische Kollisionen gibt es in jeder Größenordnung. Ferne Galaxien prallen aufeinander und verschmelzen regelrecht zu Neuem. Aber auch in unserem Sonnensystem kommen gefährliche Begegnungen vor. Etwa wenn Asteroiden oder Kometen durch Gravitationskräfte aus ihren Umlaufbahnen um die Sonne gelenkt werden und die Wege von Planeten kreuzen. Auch die der Erde. Vor 66 Millionen Jahren schlug ein mächtiges Exemplar mit einem geschätzten Durchmesser von 14 Kilometern im Norden der mexikanischen Halbinsel Yucatán ein. Es erzeugte zunächst einen 180 Kilometer großen Krater, dann verdunkelten Staub und Asche die Urzeit-­Atmosphäre. Die Folge war ein Massenaussterben, dem unter anderem die Dinosaurier zum Opfer fielen.

Deutlich kleiner, rund 500 Meter im Durchmesser, ist der Asteroid Bennu. Dennoch: Träfe er auf unseren Planeten, entspräche seine Zerstörungskraft etwa 1.200 Megatonnen TNT – mehr als alle seit dem Zweiten Weltkrieg gezündeten Atombomben zusammen. Unschön ist, dass Bennu ab circa 2175 tatsächlich auf Kollisionskurs mit der Erde gehen könnte. Einer der Gründe für die US-Raumfahrtagentur NASA, den kohlenstoffreichen Brocken genauer ins Visier zu nehmen. Seit 2016 geschieht das mithilfe der Sondenmission Osiris-­Rex, wie die ARTE-Wissenschaftsdokumentation „Rendezvous mit einem Asteroiden“ zeigt. Osiris-­Rex sammelte im Oktober 2020 bei einem kurzen Touchdown Geröll- und Staubproben auf Bennu. Im September 2023 soll die Sonde mit der kostbaren Fracht wieder auf der Erde landen.

Bennu zählt zu den mehr als 20.000 bisher entdeckten erdnahen Asteroiden. Insgesamt sind in unserem Sonnensystem etwa eine Million solcher Gesteins- und Metallklumpen höchst unterschiedlicher Größe und Form bekannt, die allermeisten im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Ebenso wie Kometen, die aus Eis, Staub und lockerem Gestein bestehen, blieben sie als nicht verwendetes Material übrig, als vor gut 4,5 Milliarden Jahren die Planeten entstanden. Anders als die seither deutlich gewandelte Erde gelten die kleineren Himmelskörper gleichsam als unverfälscht. Das Wissen um ihre Zusammensetzung und Eigenschaften ermöglicht Forschern daher, wie mit einer ­Zeitmaschine in die planetare Kindheit zu reisen. „Asteroiden bergen viele Geheimnisse der frühen Entwicklungsgeschichte des Sonnensystems“, sagt ­Derrick Pitts, Astronom am Franklin Institute in Philadelphia und einer der Experten der ARTE-Dokumentation.

Gewissermaßen einen eigenen Asteroiden hat der Astrophysiker ­Alan ­Harris vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Seit 1999 trägt „(7737) Sirrah“ seinen Namen – nur umgedreht, weil ­„Harris“ schon vergeben war. Mehr als drei Jahrzehnte lang erforscht der DLR-Wissenschaftler schon die Himmelskörper und rührt dabei an Grundfragen wie den Ursprüngen des Lebens. Denn die Brocken im All enthalten neben Kohlenstoff auch anderes organisches Material – und in Mineralen gebundenes Wasser. Noch ist unklar, wann und wie diese Materialien auf die Erde gelangten: schon bei deren Entstehung oder erst durch Einschläge nach Abkühlung des anfänglich mehr glühenden als blauen Planeten. „Das eine schließt das andere nicht aus“, findet ­Harris.

Rendezvous mit einem Asteroiden

Wissenschaftsdoku

Samstag, 14.8. — 22.00 Uhr
bis 12.10. in der Mediathek

Gezielte Schubser gegen Karambolagen
So wie Asteroiden und Kometen einst Leben auf die Erde gebracht haben könnten, so bedrohen sie es auch. Erst vor acht Jahren explodierte ein kosmisches Objekt nach dem Eintritt in die Atmosphäre über dem sibirischen Tscheljabinsk. Es gab Verletzte und schwere Schäden, dabei war es mit etwa 20 Metern Durchmesser eher klein. Jede Nacht scannen Teleskope den Himmel, um weitere, auch potenziell gefährliche Gebilde aufzuspüren. „Wir werden immer besser“, sagt ­Alan ­Harris. Sorgen bereitet Astronomen allerdings gerade das Starlink-­Projekt von Tesla-­Gründer ­Elon Musk, das mit Tausenden Satelliten im Orbit überall auf der Welt Internet ermöglichen soll. ­Harris: „Das erschwert unseren automatischen Suchprogrammen die Arbeit.“

Längst gibt es auch Pläne, Asteroiden mithilfe der Kinetik von einem gefährlichen Erd-Kollisionskurs abzulenken – ein wenig, als spielte man eine Partie Billard im Weltraum. Noch 2021 soll die NASA-­Mission Dart starten, deren Ziel es ist, einen Asteroidenmond durch den gezielten Einschlag einer Sonde leicht anzustoßen. Und Airbus arbeitet an einem Konzept, bereits vorhandene ­Raketen- und Satelliten­technik in ähnlicher Weise gegen heranrasende Asteroiden einzusetzen. Im Notfall ganz schnell, damit es uns nicht wie den Sauriern ergeht.

Asteroiden bergen viele Geheimnisse der frühen Entwicklungsgeschichte unseres Sonnensystems

Derrick Pitts, Astronom