Vor vielen Jahren konnte man Christian Thielemann und Daniel Barenboim spät am Abend in einem Münchner Luxushotel ein Klavier durch die Gänge schieben sehen. Das Instrument stand in der Suite von Thielemann – aber Barenboim wollte üben. Also betätigten sich die beiden kurzerhand als Möbelpacker. Thielemann hat diese Geschichte damals gern erzählt, um Gerüchte über Streitereien zwischen den beiden Dirigenten zu zerstreuen: „Alles Quatsch! Alles Lüge!“
Dabei lag die Spannung zwischen Thielemann und Barenboim Anfang der 2000er Jahre allgemein spürbar in der Berliner Luft. Barenboim leitete damals schon die Staatskapelle Berlin, das einstige Vorzeigehaus des Ostens, und Thielemann das Orchester der Deutschen Oper, des Giga-Musikdampfers im Westen. Während Barenboim auf internationale Tourneen ging und seine Musikerinnen und Musiker gut bezahlt wurden, kämpfte Thielemann gegen die Benachteiligung seines Ensembles. 2004 riss ihm der Geduldsfaden: Der Dirigent kündigte seiner Heimatstadt Berlin und verschwand zornig zu den Münchner Philharmonikern.
Wenn er nun als Chefdirigent der Staatskapelle Berlin – und damit als Nachfolger von Daniel Barenboim – zurückkehrt, hat das also eine besondere Bedeutung. Vorletzte Weihnachten hatten sich die beiden in einem Restaurant getroffen, einander tief in die Augen geschaut, und Barenboim hatte seinen Wunschnachfolger gefunden. Thielemann erzählt, dass beide erkannt hätten, wie ähnlich ihre musikalischen Ideale seien: „Was uns beide besonders geprägt hat, war unsere Arbeit bei den Bayreuther Festspielen.“
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