Ein mächtiger Strom trennt Bonobos und Schimpansen: der Kongo. Vor etwa zwei Millionen Jahren teilte der Fluss ihre Heimat im westlichen Zentralafrika, unüberwindlich für beide Arten. Seither gehen die untereinander und mit uns am engsten verwandten Menschenaffen eigene Wege – genetisch und im Verhalten. Außergewöhnlich ist vor allem der Umgang der Bonobos mit Konflikten: Streit legen sie mit Sexualakten bei.
Auch sonst haben sie häufig Sex, der nicht der Arterhaltung dient. Das hat ihnen die Bezeichnungen „Hippie-“ oder „Kamasutra-Primaten“ eingebracht. Bonobo-Weibchen signalisieren mit leuchtendem Geschlechtsteil Fruchtbarkeit. Dabei haben Wissenschaftler des Leipziger Max-Planck-Instituts (MPI) für evolutionäre Anthropologie durch Urintests festgestellt: Mit ihrem Hormonhaushalt korrespondiert das nicht immer. Sex ohne den Zweck der Fortpflanzung, gern auch einander von Angesicht zu Angesicht zugewandt: Das kennt man sonst fast nur vom Menschen. Als eigene Art gelten die Bonobos erst seit 1929. Dass sie auch Zwergschimpansen genannt werden, ist ungerecht, sind sie doch aufrecht stehend mit etwa 1,15 Metern nur wenige Zentimeter kleiner als Schimpansen. Zwischen 15.000 und 20.000 Bonobos leben im Urwald südlich des Kongo-Flusses, dem einzigen natürlichen Verbreitungsgebiet der Art. Ihr Habitat liefert reichlich Nahrung, was zum friedfertigen Wesen beiträgt.
In der ARTE-Dokumentation „Das verborgene Leben der Bonobos“ attestiert MPI-Forscherin Leveda Cheng den Primaten außerdem ein nach menschlichen Maßstäben ausgesprochen modernes Geschlechterverhältnis: „Man sieht, dass Weibchen und Männchen in etwa den gleichen sozialen Status haben.“ Eine leichte Tendenz zum Matriarchat hat die Bonobo-Gesellschaft, innerhalb der Gruppe genießen besonders Alpha-Weibchen und ihre Söhne hohes Ansehen. Die Mutter-Sohn-Beziehungen halten außerdem lebenslang – noch eine, zumindest häufige, Parallele zum Menschen.
Wenn die Bonobos nicht gerade Sex haben oder fressen, betreiben sie Grooming, gegenseitige Fellpflege, die auch der sozialen Bindung dient. Alles sehr harmonisch und sozial bei diesem Zweig unserer hominiden Verwandtschaft – mit rund 99 Prozent identischem Erbgut. 1,6 Prozent des entschlüsselten Genoms weisen sogar größere Übereinstimmung auf als zwischen Bonobos und Schimpansen. Nicht die schlechteste evolutionäre Mitgift.
Da geht es am nördlichen Ufer schon anders zur Sache: Männlich-dominantes Verhalten, Rangkämpfe und aggressive, tödlich verlaufende Begegnungen rivalisierender Gruppen prägen den Alltag der dort lebenden Schimpansen. Klingt auf fatale Weise ebenfalls menschlich? Kein Wunder, denn auch mit den Schimpansen, von denen es in mehreren afrikanischen Regionen insgesamt etwa 300.000 gibt, verbinden uns 99 Prozent der DNA, 1,7 Prozent des Genoms sind dem menschlichen zudem ähnlicher als dem der benachbarten Bonobos.
Diese verwandschaftliche Nähe hat uns Menschen aber wohl nicht ausschließlich destruktive Wesenszüge eingebracht. Denn Schimpansen gelten nach Ansicht der Leipziger MPI-Primatenforscher als manuell geschickt und ehrgeizig – Eigenschaften, die für evolutionäre Entwicklungen klare Vorteile bieten.
Eines verbindet Bonobos und Schimpansen auf tragische Weise: Beide Arten sind stark bedroht, weil ihre natürlichen Lebensräume schrumpfen oder sie sogar gejagt werden. Verantwortlich dafür ist ihr engster Verwandter: der Mensch.