Alles kann, alles muss

Wer und was ist heute in der Kunst noch exzentrisch? Eine ARTE-Dokumentation und eine Ausstellung in der Münchner Pinakothek der Moderne liefern Antworten.

Porträt der Künstlerin Orlan
Blickfang: Künstlerin ­Orlan 2021 in der Pariser Galerie ­Ceysson & ­Bénétière. Die Französin manipuliert auch ihren Körper als Teil ihrer Arbeit. Foto: Foc Kan / WireImage / Getty Images

Eine Hand voll Frauen und Männer in bäuerlichem Gewand sitzt an einem Tisch, eine Gaslaterne schimmert spärlich an der Decke des kahlen Raums. Wer diese Szene von ­Vincent van Goghs frühem Ölgemälde „Die Kartoffelesser“ heute betrachtet, mag sie nicht sonderlich extravagant finden für das 19. Jahrhundert. Doch im Entstehungsjahr 1885 war das Bild so außergewöhnlich, dass es harsche Kritik auslöste: Zu dunkel und monochrom seien die Farben, hieß es. Zu schroff die Darstellung der Gesichter und zu nachlässig die Perspektive. Van Gogh ließ sich davon nicht beirren und malte weiter ohne Rücksicht auf Konventionen. Er gilt deshalb zu Recht als einer der größten Exzentriker seiner Generation. Was das Beispiel zeigt: Ob Kunst als exzentrisch betrachtet wird, lässt sich nur im Kontext der Zeit beantworten. Umso spannender daher die Frage: Welche Kunst ist heute, im von digitalem Content überfrachteten 21. Jahrhundert, in dem immer mehr Material durch Künstliche Intelligenz automatisiert erzeugt wird, überhaupt noch exzentrisch? Die ARTE-Dokumentation „­Exzentrisch – Die Kunst der Anders­artigkeit“ sucht im Februar nach Antworten und lässt dazu zahlreiche kontemporäre Künstlerinnen und Künstler zu Wort kommen.

Unter ihnen eine der schillerndsten Persönlichkeiten der französischen Kunstwelt: Orlan. Seit den 1960ern widmet sich die Vertreterin von Body-Art und Performance-Kunst Themen wie Geschlechtsidentität, Körperkult und Religiosität. „Exzentriker sind Originale, also Personen, die ein bisschen verrückt sind, ein bisschen leger, ein bisschen anders und die den Ort, den man für sie vorgesehen hat, nicht akzeptieren“, sagt ­Orlan in der ARTE-Dokumentation. Dass nicht nur sie als Mensch, sondern auch ihre Kunst das Prädikat „exzentrisch“ verdient, liegt auch an den radikalen Ausdrucksformen von Orlan: Sie nutzt den eigenen Körper als Material ihres künstlerischen Schaffens und setzt plastische Chirurgie als eine Art Performance ein. Das allgemeine Verständnis von Schönheit versucht sie dabei zu konterkarieren, etwa mit Implantaten an ihrer Stirn, die „Monstrosität und Hässlichkeit“ hervorrufen sollen, wie die Französin erklärt.

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Exzentrisch – Die Kunst der Andersartigkeit

Kulturdoku

Montag, 10.2. —
23.30 Uhr
bis 13.4.28 in der
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