Rückkehr der Geister

Halloween wird oft als US-Trend belächelt – tatsächlich liegen die Wurzeln des Gruselfestes in Europa.

Schwarze Katze beschnuppert einen Kürbis auf einem Zaun
Halloween gilt als US-amerikanischer Brauch, doch seine Ursprünge liegen unter anderem im keltischen Geisterfest Samhain. Anhand archäologischer Funde und Mythen zeigt der Dokumentarfilm, wie sich daraus das heutige Halloween entwickelte. Foto: H. Armstrong Roberts / ClassicStock / Getty Images

Ob frech grinsend am Gartenzaun oder als fiese Fratze im Supermarktregal – vor den für Halloween präparierten Kürbissen gibt es im Oktober kein Entkommen. Wer sich fragt, was es mit dem kunstvoll zur Laterne geschnitzten Fruchtgemüse auf sich hat, stößt sofort auf ein weitverbreitetes Missverständnis: Denn Halloween ist keineswegs eine amerikanische Erfindung. Tatsächlich geht der Halloween-­Kürbis, auch Jack O’Lantern genannt, auf eine irische Legende zurück, die Auswanderer in den USA verbreiteten. Sie erzählt von einem listigen Hufschmied, der erst den Teufel austrickst, dann aber doch auf dessen Mitleid angewiesen ist. Auch zu den Grablichtern, mit denen Katholiken zu Allerseelen Anfang November ihrer Verstorbenen gedenken, gibt es Bezüge.

Halloween – Mythos der Kelten

Dokumentarfilm

25.10. — 20.15 Uhr
bis 22.1.26 auf arte.tv 

 

Andere Elemente, die das heutige Halloween prägen, sind sogar noch viel älter – und haben ihren Ursprung ebenfalls in Europa. Schon um Christi Geburt feierten Kelten und Gallier am 31. Oktober das Samhain-­Fest. Es markierte den Übergang von der hellen in die dunkle Jahreszeit, von der sichtbaren Welt in eine andere, geheimnisvolle Sphäre. Die Menschen glaubten, dass in dieser Nacht die Grenze zwischen den Lebenden und den Toten durchlässig werde. Familien entzündeten Feuer, um böse Geister fernzuhalten, stellten Speisen für die Ahnen vor die Tür und verbargen sich hinter Masken, um von den Geistern nicht erkannt zu werden. Es war ein Ritual des Wandels und der Versuch, das Unheimliche zu zähmen. Wie die ARTE-Dokumentation „­Halloween – Mythos der Kelten“ im Oktober zeigt, wird in Lyon sogar ein 2.000 Jahre alter Bronzekalender aufbewahrt, der den Namen des Samhain-­Festes und damit die uralten Wurzeln des Geisterfestes belegt.

Zum globalen Massenphänomen wurde Halloween, wie wir es heute kennen, allerdings erst in den USA. „Halloween war in den irischen Communitys der USA beheimatet, hat sich aber gerade wegen seiner laizistischen, nachbarschaftsstiftenden Funktion schnell verbreitet“, erklärt der Kulturwissenschaftler ­Gunther ­Hirschfelder von der Universität Regensburg im Gespräch mit dem ­ARTE ­Magazin. Mit Horrorfilmen wie „Halloween“ (1978) oder „Nightmare on Elm Street“ (1984) trug Hollywood später entscheidend zur Popularität des 31. Oktobers bei und transportierte das Fest ab den 1980ern zurück nach Europa. Seither wächst die Begeisterung für die moderne Art des Gruselns auch hier wieder stetig. Laut einer Studie des Handelsverbands Deutschland hat sich der Anteil der Menschen, die hierzulande für Halloween Geld ausgeben, seit 2018 verdoppelt – Tendenz weiter steigend. ­Hirschfelder sieht den Grund dafür in einem „kulturellen Vakuum“. Menschen suchten Orientierung, Rituale und Fixpunkte im Jahr. Halloween biete all das – niedrigschwellig, unverbindlich, aber mit klaren Symbolen. Ein anderer Aspekt sei das kommerzielle Interesse: Nach dem Sommerloch und vor dem Weihnachtsgeschäft biete der 31. Oktober eine perfekte Gelegenheit für Handel und Werbung, mit Kostümen, Süßwaren und Dekorationen Umsatz zu machen. Aber warum zieht uns der ganze düstere Spuk überhaupt so an?

Der Grusel an Halloween sei vor allem symbolischer Natur, betont ­Hirschfelder: „Ein echtes Auseinandersetzen mit Tod, Krankheit oder Endlichkeit ist Halloween nicht. Vielmehr hat das Fest etwas Leichtes, Dekoratives. Totenköpfe, Skelette und Grablichter tauchen für eine Nacht auf, ohne dass man sich existenziell mit ihnen befassen müsste.“ Gerade darin liege vermutlich der Reiz: ein kalkulierter Schrecken, den man in sicherer Distanz konsumieren kann. In einer Medienwelt, die uns mit apokalyptischen Szenarien, Gewaltbildern und globalen Krisen konfrontiert, wirke Halloween direkt harmlos – wie eine „ästhetisierte Miniatur des Horrors“.

Auch das mexikanische Totenfest „Día de los Muertos“, der Tag der Toten, wird um Allerheiligen herum gefeiert – doch hier wird der Tod nicht verdrängt oder verteufelt, sondern mit einem farbenfrohen Fest zelebriert. Familien schmücken Gräber, bauen Altäre und laden die Verstorbenen symbolisch zum Mahl ein. Trotz aller Unterschiede haben beide Feste eins gemeinsam: Sie bringen Licht in die langen Nächte der dunklen Jahreszeit.

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