Im Zweifel für den Glauben

Religiöse Verfolgung Eine der größten Massenfluchten Europas begann vor rund 450 Jahren in Frankreich. Das Erbe der Hugenotten findet sich bei uns in Kirchen, Namen und edlem Gemüse.

Illustration: Philip Harris
Illustration: Philip Harris

200.000 Glaubensflüchtlinge

verließen Frankreich zwischen 1560 und 1760, zunächst vor allem nach England und in die Niederlande, später auch in deutsche Fürstentümer. Hugenottenkriege tobten, allein in der Bartholomäusnacht starben 1572 Tausende Angehörige der reformierten Kirche. Die im Edikt von Nantes (1598) verbriefte Religionsfreiheit bröckelte rasch. Endgültig besiegelte 1685 Ludwig XIV. mit dem Edikt von Fontainebleau das Schicksal der Protestanten. „Ein Glaube, ein Gesetz, ein König“: Diese Prinzip ließ ihnen nur die Wahl zwischen Übertritt zum Katholizismus oder Flucht.

Die Sendung auf Arte

Das zweiteilige Dokudrama „Flucht im Namen Gottes – Die Hugenotten“ gibt es am Samstag, 23.11.2019 ab 20:15 Uhr bei ARTE und bis 20.2.2020 in der Mediathek.

Illustration: Philip Harris
Illustration: Philip Harris

Tabak, Spargel, Handschuhe

Neben religiösen Motiven spielten bei der Aufnahme der Glaubensflüchtlinge auch ihre Kenntnisse und Fähigkeiten eine entscheidende Rolle. Sie brachten Spargel als Gemüse mit, wussten feine Leder- und Glacéehandschuhe zu nähen und waren im Umgang mit Seidenraupen und Maulbeerbäumen erfahren. Im Brandenburgischen führten sie den Tabakanbau ein, und auch die Berliner Weiße soll auf Hugenotten zurückgehen.

Illustration: Philip Harris
Illustration: Philip Harris

Im Zeichen des Kreuzes

Die französischen Protestanten beriefen sich auf den Reformator Jean Calvin (1509–1564). Ursprünglich ein Spottname mit uneindeutigen Wurzeln, wurde die Bezeichnung „Hugenotten“ schließlich auch von den Angehörigen der Glaubensgemeinschaft übernommen. Ihr Erkennungszeichen, das Ende des 17. Jahrhunderts aufgekommene Hugenottenkreuz mit Lilien und einem Taubenanhänger, findet bis heute Verwendung.

Illustration: Philip Harris
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Fontane, Benz und de Maizière

Nicht jeder französische Name birgt eine hugenottische Fluchtgeschichte. Belegt sind die Wurzeln bei Schriftsteller Theodor Fontane (1819–1898, o.) oder Automobilkonstrukteur Carl Benz (1844–1929, u.). Der war – unehelich – als Karl Vaillant auf die Welt gekommen und bekam später den väterlichen Nachnamen. CDU-Politiker Thomas de Maizière (M.) entstammt einer ursprünglich lothringischen Hugenottenfamilie.

Illustration: Philip Harris
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40.000 Hugenotten

folgten Ende des 17. Jahrhunderts dem Ruf in deutsche Lande. Großzügige Privilegien bot ihnen etwa Kurfürst Friedrich-Wilhelm, selbst Calvinist, für Brandenburg-Preußen an. Auch andere protestantische Fürstentümer setzten aus religiösen, machtpolitischen und wirtschaftlichen Motiven auf die Zuwanderer. Die Französische Kirche in Potsdam, die Hugenottenkirche in Erlangen und andere Sakralbauten erinnern an die Ansiedlungen. Planstädte wie Bad Karlshafen in Hessen-Kassel entstanden. Steinernes Zeugnis hugenottischer Geschäftserfolge ist das Landhaus J. C. Godeffroy in Hamburg.