Der wilde, wilde Held

Niemand im Wilden Westen ist lässiger und zieht schneller: Comic-Cowboy Lucky Luke ist seit Generationen ein Held. ARTE begibt sich auf seine Fährte. 

Lucky Luke Comic-Cowboy reitet auf dem Pferd durch die Wüste
Lonesome Cowboy: Schwarze Weste, gelbes Hemd, knallenge Bluejeans, dazu ein rotes Halstuch und ein weißer Hut – mit Lucky ­Luke schuf der Belgier ­Morris eine Ikone des Wilden Westens. Foto: Lucky Comics / Egmont Ehapa Media

Der Alltag dieses Cowboys ist eng getaktet: Am Montag bringt er mal wieder die gefesselten Dalton-­Brüder zu einem Fort („Hab hier ’ne Lieferung“). Am Dienstag muss er ein entflohenes Rindvieh per Lasso einfangen. Tags darauf – peng! – verhindert er mit einer gezielten Kugel gerade noch einen Bankraub. Am Donnerstag folgt ein Faustkampf mit einem axtbewaffneten Krieger, um einen Goldgräber zu retten. Und am Freitag, auf dem Weg zum Rodeo, steckt Lucky Luke – zum Verdruss seines treuen Gauls Jolly Jumper – im Wochenendverkehr zwischen Kuhherden und Kutschen fest. Die ersten Seiten von „Letzte Runde für die Daltons“, der Anfang November erscheinenden neuen Ausgabe der Comicserie rund um den ewig coolen Cowboy, starten bewegt. Aber auch angenehm vertraut dank der vielen bekannten Motive – man fühlt sich sofort zu Hause. Das wirkliche Abenteuer folgt ein paar Ritte weiter, da geht dem Wilden Westen plötzlich das Bier aus. ­Saloonbetreiber flehen Lucky ­Luke an, einen Streik in den Großbrauereien zu beenden. Gesagt, galoppiert! Der Mann hat schließlich einen Ruf zu verlieren.

HUMOR TRIFFT AUF LITERARISCHEN TIEFGANG 

Und was für einen: Mit weltweit mehr als 300 Millionen verkauften Exemplaren und zahlreichen Kino- und Trickfilm-Adaptionen zählen die rund 90 Ausgaben von „Lucky Luke“ zu den erfolgreichsten Comicserien überhaupt. Anlässlich des neuen Abenteuers begleitet ARTE den französischen Comicautor Jul an zahlreiche Orte der USA, die prägend sind für den Mythos des Wilden Westens – spektakuläre Naturkulissen inklusive. Zusammen mit Zeichner ­Achdé hat Jul seit 2016 das Erbe des Lucky-Luke-­Schöpfers Morris (1923–2001) angetreten. Der Belgier, mit bürgerlichem Namen: ­Maurice De ­Bevere, hatte sich die Figur des einsam durch die Prärie reitenden ­Lucky ­Luke Ende der 1940er ausgedacht und verbrachte, für authentische Inspiration, mehrere Jahre in den Vereinigten Staaten. In seinem Comic-Universum um den Cowboy, „der schneller zieht als sein Schatten“, sollten sich Humor, Spannung und Gesellschaftssatire fortan stets gut vertragen.

In den Fußstapfen von Lucky Luke

3-tlg. Dokureihe

Samstag, 2.11.
— ab 20.15 Uhr
bis 7.12. in der
Mediathek

 

Schwarz-Weiß-Foto von Illustrator Maurice de Bever
Mit Lucky Luke schuf Maurice De Bever (1923–2001) eine Ikone des Wilden Westens. Damit setzte er nicht nur der US-amerikanischen Pionierzeit ein Denkmal, sondern kommentierte durch die Augen seines Helden auch subtil die Absurditäten der modernen Welt. Foto: Picture Alliance/Sammlung Richter

Diese Mischung überzeugte auch Asterix-­Schöpfer ­René ­Goscinny (1926–1977). Mit dem französischen Comicautor arbeitete ­Morris ab Mitte der 1950er über zwei Jahrzehnte eng zusammen, was der Serie zusätzlichen literarischen Tiefgang verlieh. Neben gewitzten Fantasiefiguren wie ­Rantanplan, dem „dümmsten Hund des Westens“, bauten die beiden immer wieder historische Persönlichkeiten in ihre Geschichten ein. Darunter Charaktere mit klarem Wild-West-Bezug wie Sioux-­Häuptling Sitting Bull oder Maler und Bildhauer ­Frederic ­Remington. Aber auch Personen wie ­Sigmund Freud, der in „Die Daltons werden kuriert“ (1975) indirekt über den Psychoanalyse-Arzt Otto von Himbeergeist auftaucht – im Original: Otto von Bratwurst.

Mit Lucky Luke setzte Morris nicht nur der US-amerikanischen Pionierzeit ein Denkmal, sondern kommentierte durch die Augen seines Helden subtil die Absurditäten der modernen Welt. „In den frühen Jahren habe ich mich sehr an die historischen Fakten gehalten, aber später wurde mir klar, dass der Humor wichtiger ist als die Realität“, beschrieb ­Morris seine Arbeit 1993 in einem Interview mit der Zeitung Le Monde. Sein Stil sei dabei von den US-amerikanischen Cartoons der 1930er Jahre inspiriert gewesen. Allen voran von Tex Avery, einem Pionier des Zeichentrickfilms, dem die Welt Figuren wie Schweinchen Dick, Bugs ­Bunny und ­Droopy Dog zu verdanken hat. Von ihm schaute sich ­Morris auch ein Stilmittel ab, das Comics sowohl für Kinder als auch für Erwachsene unterhaltsam macht: den subtilen Humor. Bestes Beispiel hierfür ist der Einschnitt, den ­Morris 1983 mit dem 52. Band „Fingers“ vornahm: Kettenraucher ­Lucky ­Luke klemmte sich plötzlich keine Kippe mehr lässig in den Mundwinkel, sondern kaute Grashalm. Was die Tabakindustrie zum Seufzen brachte, freute die Weltgesundheitsorganisation – sie verlieh ­Morris für die radikale Zigarettenentwöhnung eine Sonderauszeichnung.

Feuerwasser wurde allerdings weiterhin getrunken im Wilden Westen des Lucky Luke. Im neuen Band reiten er und ­Jolly ­Jumper deshalb sogar bis in „Amerikas Bierhauptstadt“ Milwaukee und versuchen den Streik zu befrieden: „Im Westen hat der Biermangel dramatische Folgen. Sie müssen die Produktion sofort wieder ankurbeln“, bekommt ein Großbrauer zu hören. Der Ärger geht damit aber erst richtig los.