»Sicherheit steht auf Platz eins«

Polen erlebt eine Zeitenwende. Das Land soll zu rechtsstaatlichen Standards ­zurückkehren, außenpolitisch sucht es seine neue Rolle in Europa und der Welt.

Polnischer Soldat vor einer Flagge.
Seit Dezember 2023 arbeitet Polens liberaler Ministerpräsident ­Donald Tusk an der Re-Demokratisierung des Landes nach acht Jahren national­konservativer PiS-Regierung. Foto: Beata Zawrzel/picture alliance/NurPhoto

Am 18. Mai blickt Europa gespannt auf Polen: An diesem Tag geht es bei der Präsidentschaftswahl auch um die Politik des liberalen Ministerpräsidenten ­Donald Tusk. Seit seiner Rückkehr ins Amt im Dezember 2023 bemüht er sich um die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit – nach acht Jahren autoritärem Umbau durch die Vorgängerregierungen der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Wie schwierig der Kurswechsel ist, vermittelt die Dokumentation „Polens Rückkehr zur Demokratie“, die ARTE kurz vor dem Wahltermin zeigt. Gewinnt Tusks Parteifreund ­Rafał ­Trzaskowski von der Bürgerplattform (PO), sieht es gut aus für den weiteren Reformprozess. Bei einem Sieg des parteilosen PiS-Kandidaten ­Karol ­Nawrocki hingegen droht die Fortsetzung der Blockadepolitik des scheidenden Präsidenten ­Andrzej ­Duda (PiS). Nicht nur im Inneren steht Polen unter Druck, auch außenpolitisch warten große Herausforderungen, sagt die polnische Politologin ­Agnieszka ­Łada-Konefał im Gespräch mit dem ARTE Magazin.

ARTE MagazinFrau Łada-Konefał, zu PiS-Zeiten waren die deutsch-polnischen Beziehungen stark belastet. Hierzulande hoffte man, mit Donald Tusk kehre eine gutnachbarliche Harmonie zurück. Warum hat sich das nicht erfüllt?

Agnieszka Łada-KonefałDie Erwartungen waren in der Tat viel zu hoch. Der Wechsel hat gute Vorbedingungen geschaffen, aber inhaltliche Probleme sind geblieben. In der ­Außen- und Sicherheitspolitik setzen Polen und Deutschland andere Schwerpunkte. Verbessert hat sich die Atmosphäre in der Kommunikation. Tusk persönlich jedoch passt auf, nicht als Deutschlandfreund zu gelten. Er ist ständig im Wahlkampfmodus – ­Kommunal-, ­Europa-, jetzt Präsidentschaftswahl. Und da spielt die PiS gern diese Karte, nennt ihn „Deutschlands Agent“.

ARTE Magazin Verfängt das?

Agnieszka Łada-KonefałMeine Umfrage zur gegenseitigen Wahrnehmung, das „Deutsch-polnische Barometer“, zeigt: Polen sind nicht antideutsch, sie erwarten eine gute Zusammenarbeit. Mit antideutscher Rhetorik gewinnt man weder viele Wähler noch treibt man Tusk-Wähler von ihm fort. Aber es ist nicht einfach alles wie vor zehn Jahren. ­Donald Tusk ist inzwischen Europas erfahrenster Regierungschef. Das Land hat sich beim Krieg in der Ukraine als verlässlicher Bündnispartner erwiesen. Die Polen sind selbstbewusster geworden, sie stimmen nicht jeder deutschen Initiative zu.

Polens Rückkehr zur Demokratie

Gesellschaftsdoku

Dienstag, 13.5. —
22.05 Uhr
bis 12.5.25. in der
Mediathek

Polnischer Regierungschef Donald Tusk und Friedrich Merz sitzen gemeinsam an einem Tisch, im Hintergrund sind eine deutsche Flagge, eine polnische Flagge und die EU-Flagge aufgehängt.
Regierungschef Donald Tusk und Friedrich Merz wissen um die Wichtigkeit der polnisch-deutschen Beziehung. Foto: Michael Kappeler/picture alliance/dpa

ARTE MagazinWie wird der Regierungswechsel in Deutschland das Verhältnis beeinflussen?

Agnieszka Łada-KonefałZwischen Tusk und Olaf Scholz stimmt die Chemie nicht. Sie trennen Welten: Tusk kommuniziert offen, dynamisch und emotional, Scholz sehr zurückhaltend. Für die Zukunft habe ich gewisse Hoffnungen. ­Friedrich Merz war in Polen und hat sich außenpolitisch wiederholt positiv zu Polen geäußert. Er betrachtet das Land im sicherheitspolitischen Kontext Europas, statt nur auf das deutsch-polnische Verhältnis zu blicken.

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