Politik mit Plüsch und Plan

Everybody’s Darling Alle finden Pandas süß. China züchtet die gefährdete Art im ganz großen Stil. Die Bären sind gut fürs Image des Landes – und fürs Geschäft.

Foto: Richard McManus/Getty Images

Der Große Panda ist der Superstar unter den bedrohten Arten. Mögen andere gefährdete Tiere wie das Nördliche Breitmaulnashorn, der Kalifornische Schweinswal oder das Zwergfaultier auch deutlich weniger Exemplare zählen: An die Popularität des pummeligen Bergbewohners kommt keiner ran. Gut 1.860 wild lebende Bären soll es in China geben, zu zwei Dritteln in Schutzgebieten und durch drakonische Strafen zumindest vor Wilderern bewahrt. Dass die Zahlen steigen, wird als Erfolg des Naturschutzes gewertet, ist jedoch schwer überprüfbar. Denn Pandas in freier Wildbahn auszumachen, gilt als ungeheuer schwierig. Umso spektaktulärer sind die Aufnahmen, die einem Team aus Wissenschaftlern und Tierfilmern für die ARTE-Doku „Der Große Panda“ im Qin-Ling-Gebirgszug in der südwestlichen Provinz Sichuan gelangen. Mit der Kamera verfolgten sie buhlende Männchen, wählerische Weibchen und geschickt kletternde Jungtiere in der schwer zugänglichen Heimat der schwarz-weißen Fellträger.
Ausgangspunkt der Expeditionen war das Zucht- und Forschungs­zentrum Wolong. Es liegt am Fuß des Gebirges, etwa 130 Kilometer nordwestlich der Millionenmetropole Chengdu. Die Station gehört zu einer Reihe von Einrichtungen, in denen sich der chinesische Staat um Nachwuchs für sein Nationaltier kümmert. In Wolong hat das eine inzwischen 40-jährige Tradition. In Zusammenarbeit mit der Naturschutzorganisation WWF, die seit ihrer Gründung 1961 den Großen Panda im Logo trägt, entstand bereits 1981 ein erstes Panda-Zentrum. 2008 bei einem Erdbeben weitgehend zerstört, wurde es inzwischen einige Kilometer entfernt neu aufgebaut. Zu den von Chinas Offiziellen und dem WWF gemeinsam proklamierten Zielen gehören in jüngerer Zeit die Verbindung von Lebensräumen und das Auswildern von Bären. Bald soll es in den Qin-Ling-Bergen ein 27.000 Quadrat­kilometer großes Schutzgebiet geben, dreimal so groß wie der US-amerikanische Yellowstone-­Nationalpark. Neun Bären wurden hier bislang ausgewildert.
Das immer erfolgreichere Zuchtprogramm hat zugleich dafür gesorgt, dass in China und weltweit in Zoos mittlerweile mehr als 500 Große Pandas in Gefangenschaft leben. Angesichts dieser Zahlenverhältnisse sehen Kritiker eine regelrechte Reproduktionsmaschinerie am Werk. Der Mensch wolle die Pandas nicht aus wissenschaftlichen oder ökologischen Gründen retten, „sondern weil sie niedliche Gesichter haben und politisch relevant sind“, klagte vor einiger Zeit der Pekinger Universitätsprofessor und Panda-­Experte Wang ­Dajun in der ­Financial ­Times.
Tatsächlich hat die sogenannte Panda-­Diplomatie in China eine lange Geschichte, schon Kaiser verschenkten die Tiere in früheren Jahrhunderten. ­Mao ­Zedong griff die Praxis 1972 auf, als US-Präsident ­Richard ­Nixon China besuchte. Zwei Pandas für den Washingtoner Zoo wurden zu lebenden Symbolen für die Annäherung des Landes an den Westen – und zu Auslösern einer noch immer anhaltenden globalen Panda-Manie. Gerade unter Präsident Xi ­Jinping gibt es immer mehr der bärigen Gunstbeweise. Dabei kann von Geschenken keine Rede mehr sein: Heute sind Pandas Leihgaben, für die Zoos eine Million Dollar jährlich überweisen. Stellt sich, wie 2019 in Berlin, Nachwuchs ein, wird erneut eine Zahlung fällig. Zudem bleiben die Mini-Pandas kleine Chinesen mit verbriefter Option auf baldige Rückholung in die ursprüngliche Bärenheimat.

Perfektes Kindchenschema
Dass Pandas aller Welt lieb und teuer sind, verdanken sie ihrem Niedlich-Faktor. Kurze Schnauze, runder Kopf, schwarze Fellflecken wie große Kulleraugen im Gesicht – auch erwachsene Tiere entsprechen perfekt dem „Kindchenschema“, das der Verhaltensforscher ­Konrad ­Lorenz definiert und das es als Fachbegriff und Fremdwort in andere Sprachen geschafft hat. Der Panda, ein unwiderstehlich gemütlicher Vegetarier: Nicht einmal das stimmt hundertprozentig, denn neben ihrer üblichen Bambuskost verdrücken die Bären schon mal Tierisches. Stets friedlich sind sie auch nicht, frei lebende Panda-­Männchen tragen sichtbare Zeugnisse ruppiger Rangkämpfe. Und die Website „When Pandas Attack“ listet etliche gefährliche Begegnungen zwischen Mensch und Panda auf. Der süße Bär, er ist eben doch ein wildes Tier.

Der Große Panda

Tierdoku
Donnerstag, 9.7. • 20.15 Uhr
bis 6.9. in der Mediathek.