Sprung ins türkise Nass

Aus Hollywood schwappte er in die Welt: Der private Swimmingpool symbolisiert Luxus und wurde zum Statussymbol. Wie steht es heute um sein Image?

Swimmingpool mit Sprungbrett
Von der Antike über Badeschiffe im 18. Jahrhundert und öffentliche Schwimmbäder bis zum eigenen Swimmingpool: Unser Verhältnis zu Pools hat sich im Lauf der Zeit gewandelt. Wie sieht ihre Zukunft angesichts des Klimawandels aus? Foto: Pham Nhat / Unsplash

Auf Instagram und TikTok haben Influencer gerade noch bessere Laune als sonst. Denn es ist Sommer – und wo räkelt es sich am spektakulärsten vor der Kamera? Natürlich am Swimmingpool. Wie wenige andere Dinge steht das Schwimmbecken mit seinem azurblau oder türkisgrün schimmernden Wasser für Luxus, Freizeit, das gute Leben. Diese Faszination ist noch immer stark. Einerseits. Andererseits kann man sich angesichts der zunehmenden Wasserknappheit, die der Klimawandel weltweit verursacht, auch fragen, wie zeitgemäß dieses Ideal noch ist. Erleben wir gerade die letzte Hochphase eines Statussymbols, das nicht nur unsere Vorstellung von Sport und Spaß, sondern auch die Popkultur geprägt hat?

Die Anfänge der Badekultur führen bis in die Indus-Kultur (2800 –1800 v. Chr.) zurück, eine der frühesten städtischen Zivilisationen. Schon damals wollten Menschen das Wasser bändigen. Im heutigen Pakistan gelegen, erstreckte sich in der urbanen Siedlung Mohenjo-Daro in einem Wohnkomplex ein zwölf Meter langes Becken, in das zwei Treppen führten. Die Dimension lässt annehmen, dass es nicht nur der Hygiene diente, sondern auch rituelle und gesellige Bedeutung hatte. Auch die Römer entwickelten ab dem 8. Jahrhundert v. Chr. Badeanstalten und Vergnügungstempel mit Becken, die umgeben waren von Massageplätzen und Gartenanlagen zum Verweilen. Der Pool als Sinnbild der Dekadenz? „Es gibt die Vorstellung, dass gerade das Badewesen und das gesellschaftliche Zusammentreffen in den römischen Thermen Ursache war für den Untergang des Römischen Reichs“, sagt Kulturhistoriker ­Matthias ­Oloew in der Dokumentation „Poolgeschichten: Der Traum vom kühlen Nass“, die ARTE im Juli ausstrahlt.

Poolgeschichten: Der Traum vom kühlen Nass

Gesellschaftsdoku

Donnerstag, 10.7.
— 20.15 Uhr
bis 8.8. auf arte.tv

 

Im Zuge der Industrialisierung zog es die Menschen in die Städte. „Aufgrund der ­Lebens- und Arbeits­verhältnisse wurden sie schnell krank und fielen als Arbeitskräfte aus. Da kamen auch die Bäder ins Spiel“, sagt ­Oloew. Körperpflege mit Wasser wurde nun von Medizinern forciert. Doch Badewannen besaßen nur wenige Menschen aus der Oberschicht. Mit England als Vorreiter des öffentlichen Badens in Europa entstanden im 18. Jahrhundert erste Seebäder. 1761 legte auch auf der Seine in Paris eines der ersten Badeschiffe an: Hinter einem Bretterverschlag zog man sich in einer Badekabine um und stieg von dort durch eine Einstiegsöffnung in das Flusswasser. Parallel entwickelten sich auch in anderen europäischen Ländern Freibäder für alle Gesellschaftsschichten. Starre Klassenschranken konnten hier überwunden werden. Unterschiede gab es trotzdem: „In den frühen Stadtbädern wurde das Wasser montags eingelassen und stand dann ein paar Tage. Nach dem dritten Tag, wenn das Wasser nicht mehr so klar war, wurden die Preise günstiger, sodass sich auch weniger bemittelte Menschen den Eintritt leisten konnten“, so ­Oloew.

POOLS ALS PRIVATANGELEGENHEIT 

Es war vor allem der enorme Wirtschaftsboom im dauersonnigen US-Staat Kalifornien in der ersten Hälfte des 20.  Jahrhunderts, der das Image von privaten Swimmingpools als reines Freizeitvergnügen förderte. Die Stummfilmstars Douglas Fairbanks und Mary Pickford ließen sich 1919 in Beverly Hills als einige der Ersten einen Riesenpool bauen, sie konnten sogar Kanu darin fahren. Die Los Angeles Times fasste derartiges Treiben 1924 in einer Schlagzeile zusammen: „Sie schwimmen in ihren eigenen Hinterhöfen“ – für Normalbürger ein unvorstellbares Vergnügen.

In der Literatur hielt der Swimmingpool der Moderne mit dem US-Schriftsteller F. Scott -Fitzgerald und seinem New-York-Bestseller „Der große Gatsby“ (1925) Einzug. Seine Figuren sind klassische Vertreter der „Goldenen Zwanziger“, die sich mit dekadenten Partys von ihrer Einsamkeit ablenken. Doch die Geschichte endet tragisch – in einem Pool, schon damals eine sinnbildhafte Kulisse. Spätestens in den Boomjahren der 1950er schwappte der Traum vom glamourösen Poolleben dann über Hollywoodfilme in die Welt. Neben dem Auto avancierten Privatpools für die wachsende Mittelschicht zum ultimativen Statussymbol. Die Preise für Swimmingpools sanken in dieser Zeit spürbar, vor allem dank des Einsatzes von Spritzbeton. Zudem verkürzte sich die Bauzeit und ermöglichte die Massenproduktion.

Aus dem Vorstadtleben der USA waren Pools fortan nicht mehr wegzudenken, bald warben auch Motels damit. In den 1960ern heizte die Popkultur den Trend weiter an. Jane Birkin, Alain Delon und Romy Schneider räkelten sich etwa in „Der Swimming-pool“ (1969) mysteriös und aufreizend an einem malerischen Privatbecken bei Saint-Tropez. Unvergessen auch David Hockneys Gemälde „A Bigger Splash“ (1967) oder das Bild von Faye Dunaway, die sich 1977 mit ihrem frisch gewonnenen Oscar von Terry O’Neill an einem Hotelpool ablichten ließ. Und selbst ohne Wasser entwickelten die Schwimmbecken kulturelle Relevanz: Als man im Kalifornien der 1970er während einer Dürre viele Pools trockenlegte, nutzten Skateboarder die leeren Becken für alternative Zwecke und erschufen die Vorläufer heutiger Skateparks – und damit eine neue Subkultur. Heute gibt es in den USA mehr als zehn Millionen private Pools – bei gerade einmal rund 309.000 öffentlichen Bädern.

Poolszene: Gut gekleidete Menschen unterhalten sich am Pool vor einer Bergkulisse
Paradiesisch: Fast zu schön, um wahr zu sein – das Foto „Poolside Gossip“ von Slim Aarons zeigt 1970 eine lauschige Szene im Garten einer Richard-­Neutra-Villa im kalifornischen Palm Springs. Der Pool dient auch hier als Prestigeobjekt und repräsentiert Eleganz und Reichtum. Foto: Slim Aarons / Hulton Archive / Getty Images

EIN GEFÜHL VON LUXUS

Dass Pools jeglicher Art konsequent mit einem Gefühl von Luxus verbunden werden, liegt indes nicht allein am großzügigen Einsatz von Trinkwasser. Auch dass das erfrischende Nass vermeintlich immer sauber ist, spielt eine Rolle. Aktuell zählt Deutschland rund 6.000 öffentliche Hallen- und Freibäder, Frankreich mehr als 4.000. Groben Schmutz beseitigen Filtersysteme, schädliche Keime werden meist mit Chlor bekämpft; aber auch Aktivsauerstoff, Salz oder Brom können Poolwasser desinfizieren. Der typische Schwimmbadgeruch entsteht dabei nicht durch Chlor: „Chlor ist zunächst geruchsneutral“, erklärt Michael Solić, Pressesprecher der Stadtwerke München. „Trifft Chlor auf Stickstoff, etwa Harnstoff, entstehen Chloramine, was den Geruch auslöst.“ Ist das eklig? Schon. Aber immerhin nicht ungesund – und ein Indikator für gereinigtes Wasser.

Neben öffentlichen Bädern gibt es in Deutschland laut Bundesverband Schwimmbad & Wellness rund zwei Millionen private Pools, in Frankreich mehr als drei Millionen. Klimakrise hin oder her: Seine Rolle als Statussymbol scheint die türkise Verlockung – wenn überhaupt – nur langsam zu verlieren. Immerhin wird ein verschwenderischer Umgang mit Wasser inzwischen fast überall vor dem Hintergrund knapper werdender Ressourcen diskutiert. 2022 wurden nahe Los Angeles Einwohner vorgeladen, die während einer Dürreperiode mehr als 150 Prozent ihrer maximal erlaubten Wassermenge aufgebraucht hatten – darunter die Reality-Soap-Stars Kim und Kourtney Kardashian und der Schauspieler Sylvester Stallone. Wurde vor 100 Jahren obszöner Luxus noch medial bewundert, fällt man heute bei Verstößen gegen Wasserauflagen durchaus negativ auf. Gefragt seien deshalb mittlerweile „kleinere Becken oder solche, die sich in die Umgebung zu integrieren scheinen“, sagt der kalifornische Gartenarchitekt Todd Riley.

Die Grundwasservorräte liegen vielerorts unter Normalniveau. Auch in Deutschland schränken Landkreise bereits die private Pool-Befüllung ein, die größtenteils aus Trinkwasser bezogen wird. Aus einem Becken verdunstet jährlich knapp die Menge Wasser, die es fasst – durchschnittlich 75.000 Liter. Zunehmend Konkurrenz erhalten Pools inzwischen von natürlichen Flussbädern – etwa in der Pariser Seine (siehe Interview) – und ökologisch angelegten Badeteichen. Geht der Trend zurück zur Natur? In Deutschland gibt es laut der Deutschen Gesellschaft für naturnahe Badegewässer bereits mehr als 6.000 biologisch aufbereitete Schwimmteiche. Vielleicht gelingt dem Pool auf diese Weise ein Imagewandel – und der Sprung in die Zukunft.

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