So schön ungerecht

Bitterböse und ästhetisch: Mit der Arthouse-Satire „Triangle of Sadness“ rechnet der schwedische Filmemacher Ruben Östlund mit der Ungerechtigkeit der Gegenwart ab.

Zwei Frauen auf einer Jacht.
„Fühlen Sie den Moment“, befiehlt Oligarchengattin ­Vera (­Sunnyi ­Melles, r.) der Jachtbediensteten (­Alicia ­Eriksson, l). Diese darf nicht Nein sagen. Foto: Plattform Produktion/Fredrik Wenzel/ZDF

Eine Jacht ist das ultimative Statussymbol der Superreichen. Wer es sich leisten kann, kreuzt über die Weltmeere, legt in noblen Orten an und sieht nur die schönen Seiten des Lebens. In ­Ruben ­Östlunds Film „Triangle of Sadness“ ist die Jacht so groß, dass sie fast schon ein Kreuzfahrtschiff ist. Aber eben ein sehr exklusives. Unter den privilegierten Menschen, die ihren Urlaub auf diese Weise verbringen: Carl (­Harris ­Dickinson) und ­Yaya (­Charlbi Dean), beide Fotomodelle. Privilegiert sind sie durch ihre Schönheit, ihre Jugend, ihr beträchtliches Einkommen. Sie ist vielleicht noch eine Spur erfolgreicher als er, jedenfalls auf Instagram. Nun kreuzen sie in Gesellschaft anderer schwerreicher Menschen durch die Gegend, umsorgt von Personal, das ihnen jeden noch so exzentrischen Wunsch zu erfüllen versucht. Eine Frau namens ­Vera (­Sunnyi ­Melles) quält die Servicekräfte mit absurden Anordnungen – sie sollen doch auch mal in den Pool, aber die Livree bitte anbehalten.

Das Frivole, das Zynische am Reichtum ist ein wichtiger Aspekt in „Triangle of Sadness“. Aber ­Ruben ­Östlund, der schwedische Starregisseur im internationalen Arthouse-­Kino, will mehr. Er möchte die sozialen Verhältnisse auf dem Planeten insgesamt in den Blick bekommen. Und weil es für diese Verhältnisse kein passendes Format, keinen brauchbaren Realismus gibt, probiert er es mit einer radikalen Satire. Die Jacht wird bei ihm zum Spiegelbild der Weltgesellschaft. Und wenn man sich anschaut, wie es um die Welt gerade bestellt ist, dann wird man bald ahnen: Dieses Narrenschiff muss sinken. Doch wer überlebt?

Triangle of Sadness

Satire

Sonntag, 17.11. — 20.15 Uhr
bis 16.12. in der
Mediathek

Das Frivole, das Zynische am Reichtum ist ein wichtiger Aspekt in „Triangle of Sadness“. Aber ­Ruben ­Östlund, der schwedische Starregisseur im internationalen Arthouse-­Kino, will mehr. Er möchte die sozialen Verhältnisse auf dem Planeten insgesamt in den Blick bekommen. Und weil es für diese Verhältnisse kein passendes Format, keinen brauchbaren Realismus gibt, probiert er es mit einer radikalen Satire. Die Jacht wird bei ihm zum Spiegelbild der Weltgesellschaft. Und wenn man sich anschaut, wie es um die Welt gerade bestellt ist, dann wird man bald ahnen: Dieses Narrenschiff muss sinken. Doch wer überlebt?

Die Form des Problemfilms, zu der „Triangle of Sadness“ gehört, ist eine Besonderheit des europäischen Kinos. Nur hier gibt es diese Perspektive, dass jemand mit schlechtem Gewissen auf die ganze Welt blickt und nach einer ästhetischen Antwort auf globale Ungerechtigkeiten sucht. Bei ­Ruben ­Östlund gibt es viele Parallelen zu ­Michael ­Haneke. Aber während der österreichische Altmeister das Kino als eine Autorität sieht, die wie von außen kritisch auf die Verhältnisse blicken kann, wirft ­Östlund sich mitten hinein. Er spielt mit, zu den Bedingungen, die in unterschiedlichen Systemen herrschen. „The Square“ hieß 2017 sein wichtigster Film vor „­Triangle of Sadness“ – eine Geschichte über moderne Kunst und Kommerz, eitles Geschwätz und ehrlichen Tiefsinn. ­Östlund suchte dabei offenkundig nach einem Punkt, von dem aus er dieses produktive Chaos in etwas Sinnfälligeres auflösen könnte. Aber er fand ihn nicht, und so wurde „The Square“ selbst zu einem Beispiel moderner Kunst – vieldeutig, immer in Bewegung, experimentell.

Schon in „Höhere Gewalt“ (2014) ging es ihm darum, das Milieu der abgesicherten Wohlstandsbürger in Europa mit einer Erfahrung der Verstörung zu konfrontieren: Eine Familie macht Skiurlaub in den Bergen, eine Lawine wirbelt alles durcheinander. In seinem ersten Spielfilm „Play – Nur ein Spiel?“ (2011) hatte er sich zuvor Gedanken über die Differenzen gemacht, die durch Migration in einer relativ homogenen Gesellschaft wie der schwedischen auftreten.

Mich hat die europäische Kinotradition sehr beeinflusst

Ruben Östlund, Regisseur und Autor
Der schwedische Regisseur Ruben Östlund hält sich die Hände vor sein Gesicht
Bitterböse und ästhetisch: Mit der Arthouse-Satire „Triangle of Sadness“ rechnet der schwedische Filmemacher Ruben Östlund mit der Ungerechtigkeit der Gegenwart ab. Foto: Ana Cuba/The New York Times/Redux/laif

Scheinbar wissenschaftlicher Blick

Östlund ist kein Soziologe. Er möchte in erster Linie erzählen – und seine Filme sind auch immer unterhaltsam. Aber er hat einen Blick auf die Verhältnisse, dem etwas scheinbar Wissenschaftliches anhaftet. Er inszeniert Versuchsanordnungen, deswegen der geschlossene Ort, den eine Jacht in „Triangle of Sadness“ darstellt. Später geht die Geschichte auf einer Insel weiter. Abigail, eine Frau von den Philippinen, die davor für die Toiletten zuständig gewesen war, bekommt nun eine neue, herausragende Rolle. Die Hierarchien geraten durcheinander.

Das Weltkino ist auch ein hierarchisches System. Festivals wie Cannes steuern die Aufmerksamkeit. Ruben Östlund ist Stammgast in Cannes. „Triangle of Sadness“ wurde 2022 mit einer Goldenen Palme ausgezeichnet. Viel mehr kann ein europäischer Regisseur kaum erreichen, der Europäische Filmpreis im selben Jahr war beinahe schon eine Dreingabe. Östlund bewegt sich gekonnt durch das System der internationalen Förderungen, auch Deutschland war an „Triangle of Sadness“ beteiligt. Er ist selbst ein Privilegierter, durch sein Talent, durch eine Herkunft aus Skandinavien. Er nützt dabei die Prämissen der europäischen Aufklärung: alles zu hinterfragen, niemals dem schönen Schein zu trauen. Und wenn es Zweifel gibt, ob diese Welt so ist, wie sie sein sollte, dann muss sie eben auf den Kopf gestellt werden. Das macht Ruben Östlund sehr virtuos in „Triangle of Sadness“.