Was treibt einen Menschen an, immer wieder sein Leben zu riskieren – für ein Bild? Diese Frage stellen sich wohl viele, wenn sie die Aufnahmen von Anja Niedringhaus betrachten. Ihre Fotos sind in Kriegs- und Krisengebieten wie dem Gazastreifen, in Israel, Kuwait, Libyen, Pakistan oder Afghanistan entstanden. Sie zeigen bettelnde Frauen, gehüllt in farbenfrohe Tücher, einen Taubenzüchter beim Füttern seiner Vögel, Kinder, die zwischen Trümmern spielen – Alltagsszenen inmitten des Ausnahmezustands. Für Niedringhaus war der Sinn ihrer Arbeit schon früh klar. „Wenn ich es nicht fotografiere, wird es nicht bekannt“, sagte sie – und meinte damit das Leiden der Zivilbevölkerung, das in der Berichterstattung oft übersehen wird. An der Front war sie daher selten zu finden. „Ich bin ja nicht auf der Suche nach diesem Bäng-Bäng“, erklärte sie 2011 in einem Interview mit Deutschlandradio Kultur. Wichtiger sei es ihr gewesen, zu zeigen, wie Menschen inmitten des Krieges ihren Alltag bewältigen, wie sie überleben. Es ist dieser empathische Blick, der ihr Werk ausmacht, wie die ARTE-Dokumentation „Den Menschen im Fokus – Die Kriegsfotografin Anja Niedringhaus“ anhand von Archivmaterial und Interviews mit Kollegen und Freundinnen der Pulitzer-Preisträgerin zeigt. Der Film ist auch eine Hommage: Obwohl sie stets umsichtig vorging, verlor Anja Niedringhaus 2014 bei einem ihrer Einsätze ihr Leben – sie wurde bei einem Attentat in der afghanischen Provinz Khost erschossen.
Hoffnung im Chaos
Von 1992 bis 2014 dokumentierte Anja Niedringhaus zahlreiche Kriege. Seitdem hat sich die Medienlandschaft radikal verändert. Wie arbeiten Kriegsfotografinnen und -fotografen heute?
