Wau trifft Miau

HAUSTIERE Hund oder Katze? Unsere Autorinnen haben jeweils klare Favoriten. Die wissenschaftliche Antwort, warum wir die Tiere lieben, gibt ARTE in zwei Dokus.

Foto: Vincent Musi

Hunde sind Angestellte, Katzen sind Freiberufler– das behaupten jedenfalls Menschen, die beide nur oberflächlich kennen. Natürlich ist das ein Irrtum, der vor allem von Schnurrtierfanatikern hartnäckig kolportiert wird, die Hunde gerne als diensteifrige Befehlsempfänger belächeln. Das mag vielleicht für professionell eingesetzte Schäferhunde gelten, aber wer die Liebe zwischen Hund und Mensch stumpf auf den Spaß am Befehlen einerseits und die Freude am Gehorchen andererseits schrumpft, verpasst dabei sehr viel Schönes, Rührendes und tatsächlich auch Heilsames.

Hunde helfen – nicht nur, aber eben auch in Krisenzeiten. Wohl deswegen kursierten in diesem Jahr vermehrt Tweets mit der Bitte, man möge als Antwort doch ein Foto seines Hundes posten. Nicht zu kynosoziologischen Zwecken oder Erhebungen, welche Rasse nach Französischer Bulldogge, Shiba und Zwergspitz am wahrscheinlichsten der neue Trendhund werden könnte (meine Privatprognose: Pudel! Pudel sind wieder schwer im Kommen), sondern als Trostspender. Analog zum Corona-Verzögerungsmotto „Flatten the Curve“ sollten Hundebilder bei „Flausch the Curve“ helfen, die Herzen also mit Niedlichkeit wärmen.

Dass viele Menschen die Corona-Zeit mit Homeoffice und heruntergefahrenen Menschenkontakten dazu nutzen, sich einen Hund anzuschaffen, hörte ich zuerst von meiner Hundetrainerin, die mir im Mai erst wieder einen Termin drei Monate später anbieten konnte. Die vielen frischgebackenen, mit dem neuen Freund akut überforderten Hundemenschen hatten sie komplett ausgebucht. In britischen Zeitungen las ich von Welpenknappheit und extremen Preissteigerungen bei stark nachgefragten Rassehunden, finde aber ohnehin, dass es keinen Grund gibt, einen Hund– zu welchem Preis auch immer– zu kaufen, wenn es in den Heimen und Auffangstationen doch so viele traurige Tierchen gibt, die man auch einfach adoptieren kann.

Wie der Hund die Welt eroberte

Wissenschaftsdoku

Samstag, 12.12. • 21.45 Uhr
bis 9.2. in der Mediathek

Keine gekränkten Trotzigkeiten, kein verletzter Stolz
Ich hoffe, dass all die Corona-Hunde nicht im unüberlegten Überschwang angeschafft wurden, aber ich kann auch gut verstehen, dass Menschen sich in unsicheren Zeiten nach einem verlässlichen Freund sehnen. Denn Hunde machen glücklich – und zwar zuallererst deshalb, weil sie eben keine Menschen sind. In der Freundschaft zu einem Hund gibt es keine kleinlichen Beharkungen über die Frage, wer wen wann anrufen sollte, und keine gekränkten Trotzigkeiten aus verletztem Stolz: Das gefühlige Band zwischen uns und dem Tier schleicht sich weichpfotig am Gehirn vorbei und dockt direkt am Herzen an.

Für prosaisch veranlagte Zweifler, denen das zu verkitscht ist, kann man Hundeglück praktischerweise auch biochemisch beweisen. Es genügt schon, dass Mensch und Hund sich intensiv in die Augen sehen, um Oxytocin fließen zu lassen, das sogenannte Kuschelhormon, das Vertrauen wachsen und Angst zusammenschnurzeln lässt. Wenn ein Mensch einen Hund streichelt, werden bei beiden dieselben neurologischen Kanäle geflutet wie bei jungen Eltern und ihrem Baby, berichteten japanische Wissenschaftler im Fachblatt Science.

Es gibt noch mehr messbare Werte, mit denen man leicht belegen kann, warum Hunde uns guttun: Die täglichen Schrittzahlen beim gemeinsamen Spazierengehen, der tiefere Schlaf, wenn ein Hund mit im Bett liegt, der einen vor potenziell gefährlichen Kopfkissen beschützt. Die schönsten Aspekte an dieser Freundschaft aber muss man selbst erleben: Für mich ist es diese unankratzbare Gewissheit, dass mein Hund und ich ein Team sind, ganz ohne all die relativierenden Einschränkungen und ironischen Distanzierungen, die das Leben oft so anstrengend und wankelmütig machen. Weil diese Freundschaft so klar und unerschütterlich ist, bildet sie auch eine ruhige Oberfläche, in der ich mich selbst spiegeln kann: Bin ich nervös, wird auch mein Hund unruhig, gehe ich aufrecht und gelassen durch unsere Allee, trabt er entspannt neben mir her. Hunde stupsen uns immer auf kleine Schiefheiten in unserem Leben.

Als ich Figo, meinen ersten Hund, zu mir holte, hatte ich eigentlich geplant, mich mit ihm komplett aus der menschlichen Geselligkeit zurückzuziehen– ich bin, was die meisten Kontakte angeht, eher skeptisch und zurückhaltend. Tatsächlich geschah das Gegenteil: Niemand hatte mich darauf vorbereitet, dass mit einem Hund auch eine ganze Menge Menschen in mein Leben treten würden. Und zwar nicht nur der beträchtliche Tierfacharzt-Stab, den mein alter Hund regelmäßig konsultierte, sondern vor allem all die wildfremden Menschen auf der Straße, die sein leicht tattriger, aber dennoch fröhlicher Hopsergang und die wippenden Flappohren rührten. Auch heute werde ich auf der Straße noch oft angesprochen, weil auch Juri, mein zweiter Hund, außergewöhnlich aussieht. An manchen Tagen sage ich den Satz „Sein Vater ist ein Podenco Ibicenco, das ist ein spanischer Windhund, und seine Mutter ein Foxterrier“ fünf oder sechs Mal. Und auch wenn ich immer noch nicht versessen auf Menschenkontakt bin– über Juri rede ich immer gerne, und meistens gehe ich mit einem Lächeln weiter, den tänzelnden Hund an der lockeren Leine.

Eine Freundschaft, so klar, so unerschütterlich

Anja Rützel, Autorin
Foto: Pascal Kiszon/Getty Images

Ein unnachahmlicher Esprit, leichtfüßige Eleganz und ein schelmisches Aussehen machen jeden Tag mit Mobylette, meiner Britisch-Kurzhaar-Katze, die mich als Mitbewohnerin und Drehpartnerin begleitet, zu einem Erlebnis. Wer bitte braucht schon einen Hund, wenn es Katzen gibt? Ein kleiner Auszug aus einem typischen Tag mit Mobylette:

05:42 — Ich höre ein Schnurren. Es ähnelt einem Mofa. Es ist Mobylette aka Moby. Sie sitzt kerzengerade vor meinem Gesicht wie eine Sphinx und wartet. Ich versuche so zu tun, als würde ich schlafen. Doch sie weiß ganz genau, dass ihre 120Dezibel nicht zu überhören sind. Dann leckt sie meine Nase, bis ich nachgebe und ihr das Gesicht massiere. Eigentlich stehe ich erst gegen 08:00Uhr auf.

08:12 — Ich wache zum vierten Mal auf. Moby ist seit 05:42 Uhr noch zwei Mal gekommen. Ich bin gerädert.

08:30 — Zwei Mal gesnoozed und aufgestanden. Kaffee! Kaffee? Wie jeden Morgen weiß ich nicht, ob ich zuerst die Maschine anstellen soll oder dem Miauen nach Futter nachgebe. Ich entscheide mich meist für Moby und gegen meinen Kaffeedurst. Heute bekommt Moby Huhn, eigentlich ihr Lieblingsgericht. Sie schnuppert am Napf, guckt mich leidend an und verlässt den Raum. Morgen mache ich mir zuerst einen Kaffee.

09:16 — Moby isst ihr Huhn.

09:23 — Yoga. Wir beide machen einen Katzenbuckel.

10:30 — Videokonferenz. Ich sitze am Küchentisch und bespreche den Inhalt der nächsten Sendung. Moby stolziert durchs Bild und schickt mit ihrer linken Pfote krude Chatnachrichten ab. Pünktlich zum ersten Lockdown ist sie bei mir eingezogen und kennt sich seitdem bestens mit dem Homeoffice-ABC und Webcams aus.

10:31 — Moby schläft. Hinter dem Laptop. Das Huhn muss verdaut werden. Eine Eigenart dabei ist das vornehme, fast königliche Einklappen einer Pfote. Man stelle sich das Ganze mit einem Handschuh vor.

11:55 — Ich klicke mich durch Instagram. Für Moby folge ich Choupette, der Katze von Karl Lagerfeld. Sie ist großer Fan. Sie hat sogar einen Bildband von der weißen, seidigen Katze. Das mondäne Leben scheint sie zu faszinieren. Als Mobys Community-Managerin überlege ich seit Wochen, ob es angebracht wäre, einen Account für sie einzurichten. Und wenn ja, wie soll er heißen? „Mobylette_the_cat“? „Moby_goes_to_Hollywood“ oder „Kate_Mobs“?

13:07 — Mittag. Moby liegt dann meistens auf dem für sie viel zu schmalen Fensterbrett und beobachtet Eichhörnchen und Vögel. Und auch ich mache eine Pause und gucke eine Folge meiner Lieblingsserie– mit dem Unterschied, dass ich schon gearbeitet habe.

13:08 — Moby schläft.

13:09 — Ich öffne eine Schublade in der Küche. Moby springt auf und miaut bilingual auf Deutsch und Französisch. Sie wächst zweisprachig auf, mein Freund ist Franzose. Es muss wichtig sein. Sie weiß, es ist die Schublade mit den Leckerchen.

15:22 — Mobylette liegt auf ihrer Alpakadecke in der warmen Sonne. Eigentlich war diese Decke ein besonderes Geburtstagsgeschenk, für mich. Jetzt gehört sie Moby, unter anderem.

16:00 — Moby putzt sich. Könnte ich auch mal machen. Ich war heute nämlich noch nicht duschen. Ich glaube, ich eigne mir ihren Rhythmus an.

Wie die Katze die Welt eroberte

Wissenschaftsdoku

Samstag, 5.12. • 21.45 Uhr
bis 2.2.2021 in der Mediathek

16:20 — Der Postbote kommt. Ein Paket. Der Inhalt für mich, die Verpackung für Moby.

17:00 — Ich gieße Pflanzen, mittlerweile habe ich zwölf. Vier davon sind angenagt, ein paar weitere umgegraben, der Rest Kakteen. Mit denen hat sie schon schlechte Erfahrungen gesammelt (wie mit Bienen).

18:34 — Moby schläft auf dem Sofa. Ich denke: „Schon wieder?“. Anscheinend schlafen Katzen 16Stunden pro Tag. Ich klappe den Laptop zu, und um sie nicht aufzuwecken, lege ich mich akrobatisch dazu.

19:55 — Ich gehe noch mal raus, ne Runde spazieren. Ohne Moby. Sie würde eh nicht bei Fuß laufen, ganz zu schweigen von einer Leine.

20:15 — Im Fernsehen läuft der „Tatort“, in unserer Wohnung Musik. Mein Freund spielt Gitarre und Moby liegt hypnotisiert daneben. Sie liebt Musik, schon seit ihrem ersten Tag bei uns. Während des ersten Lockdowns hatten wir uns vorgenommen, einige Klassiker der französischen Chansonkultur auswendig zu lernen. Demnach kann Moby mittlerweile „Menthe à l’eau“ von Eddy Mitchell und „Il jouait du piano debout“ von France Gall mitschnurren. 

23:17 — Ich fühle mich beobachtet. Während ich mir die Zähne putze, starrt Moby mich an. Sie versucht mein Verhalten zu entschlüsseln. Das passiert häufig. In jeder Lebenslage spioniert sie mir nach, um jede noch so kleine Geste zu verinnerlichen. Hinter Vorhängen, Türrahmen und Tischbeinen.

01:30 — Es ist spät, ab ins Bett. Moby schläft bereits fest. In ein paar Stunden wird sie mich wieder wach schnurren. Zum Glück!

Anscheinend schlafen Katzen 16Stunden pro Tag

Bianca Hauda, Moderatorin