Der Dackel ist von kleiner Statur, aber großer Bedeutung. Auf seinen kurzen Beinen hat er es weit gebracht in der Welt – der echten und der virtuellen. Kein Kontinent ohne Vereine und Fangruppen für den Dackel, Teckel oder Dachshund. In sämtlichen sozialen Netzen dackelt es. Allein bei Instagram liefert der Hashtag #dackel mehr als zwei Millionen Treffer, #dachshund bringt es gar auf gut 20 Millionen Beiträge. Wundert sich da jemand, dass eine Tierschutzorganisation im fernen Australien 2019 den Welttag der Dackel ins Leben gerufen hat? Er fällt auf das Datum der Sonnenwende rund um den 21. Juni, kürzester Tag des Jahres auf der Südhalbkugel und bei uns genau umgekehrt. Kurz, lang – die augenzwinkernde Anspielung auf die typische Dackelanatomie versteht man in beiden Hemisphären.
International, das zeigt die ARTE-Dokumentation „Der Dackel“, war er von jeher. Die Wurzeln reichen zurück bis in die Antike, nach Norditalien etwa, die Gegend um Verona, und nach Gallien, rund um das heutige Lyon. In beiden Regionen führten keltische Stämme kompakte Jagdhunde mit sich. Unmittelbare Dackel-Vorläufer waren die im Mittelalter europaweit verbreiteten Bracken. Hierzulande wurden die Tiere dann, beginnend in der frühen Neuzeit, für beherzte Einsätze in Dachs- oder Fuchsbauen gezielt zurechtgeschrumpft. Und erhielten ihren Namen: Vom „Dachs-Kriecher“ schreibt beispielsweise 1719 Hans Friedrich von Fleming in seinem Band „Der Vollkommene Teutsche Jäger“. Noch im Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm steht Mitte des 19. Jahrhunderts zwar der Eintrag „Dachshund“, nicht aber das Wort „Dackel“. Und ebensowenig das waidmännische „Teckel“.
FLINK ÜBER UND UNTER DER ERDE
Systematisiert wurde in jener Epoche nicht nur die deutsche Sprache, Zucht und Ordnung zogen auch ins Hundewesen ein. 1879 wurden für Dackel Rassekennzeichen festgelegt, die sich bis heute weitgehend in den Standards der Fédération Cynologique Internationale (FCI) wiederfinden, des weltweit größten Züchterverbands. Danach handelt es sich um einen Jagdhund, dessen „Körperbau ihm ein bewegliches, flinkes Arbeiten über und unter der Erde ermöglicht“. Neben Jägern werden das auch Dackelbesitzer mit Garten bestätigen: Buddeln liegt den Tieren im Blut. Dackelbeine, bei Menschen als Beleidigung verstanden, werden in der Fachsprache zu „kurzläufig“ verbrämt. Und der sprichwörtliche, unwiderstehliche Dackelblick? Liest sich im FCI-Katalog eher nüchtern so: „Augen: Mittelgroß, mandelförmig, gut auseinanderliegend, mit klarem, energischem und doch freundlichem Ausdruck.“
Seit stattlichen 137 Jahren wacht der Deutsche Teckelklub 1888 über die Zucht. Die im Vereinsnamen verankerte Gründung im sogenannten Dreikaiserjahr mag Zufall sein. Fest steht: Wilhelm II., der 1888 als letzter Hohenzoller auf dem Thron seinem Großvater und Vater folgte, war ein großer Freund der kleinen Vierbeiner. Des Kaisers Liebling, ein Kurzhaardackel mit dem damals gebräuchlichen Namen Erdmann, erhielt nach seinem Ableben 1901 sogar eine Gedenkstätte mit Steintafel auf einer Insel im Park von Schloss Wilhelmshöhe in Kassel. Wilhelms Dackelliebe hatte ihre Entsprechung andernorts bei Hofe. Die hundeverrückte Queen Victoria brachte bereits 1845 einen Dackel aus dem Herzogtum Sachsen-Coburg mit ins Vereinigte Königreich. Nicht nur in Europa, auch jenseits des Atlantiks wurden die temperamentvollen Knirpse zum deutschen Exportschlager. Eine kleine Delle bekam die Zuneigung lediglich zu Zeiten des Ersten Weltkriegs. Antideutsche Propaganda schmähte den Dackel mit Pickelhaube. Nach dem Sieg der Entente hing er dann, obwohl frei von Schuld am preußisch geprägten Militarismus, in Karikaturen schlaff und erledigt im Maul der British Bulldog.
Vorbei und vergessen. Mit seinem entwaffnenden Wesen hat der Dackel den Globus hernach weiterhin friedlich erobert. Dabei wurden gerade die Hunde großer Künstler nicht selten selbst berühmt – und zu Kunstwerken. Andy Warhols Archie etwa als Siebdruck und Polaroid. Oder Stanley und Boogie, die David Hockney seine „besten Freunde“ nannte und wieder und wieder malte. Das wohl ungewöhnlichste Gespann in dieser Reihe aber bildeten Pablo Picasso und sein Dackel Lump. Der Hund mit Eigensinn hatte dem Fotografen David Douglas Duncan gehört, erkor jedoch spontan Picasso zum neuen Herrchen, als Duncan den Künstler in dessen Atelier ablichtete. Fortan stand Lump dem ebenso eigenwilligen Spanier Modell. Geradezu ikonisch verewigte er den Dackel – in einer Linie. Das minimalistische Motiv „Le chien“ ist als Picasso- und Dackel-Fanartikel ein Renner.
Die Betreiber des Dackelmuseums in Regensburg (siehe Interview links) widmen dem Bestseller eine Vitrine – und eine Kollektion im zugehörigen Shop. Seit Jahrzehnten sammeln Seppi Küblbeck und Oliver Storz Dackel-Exponate von Kunst bis Kitsch. Insgesamt 30.000 Objekte warten darauf, im Wechsel ausgestellt zu werden. Rekordverdächtig. Eine andere Bestleistung haben die Donaustädter verbrieft: Mit ihrer Regensburger Dackelparade vom vergangenen September stehen sie im Guinnessbuch der Rekorde. 897 Teilnehmende wurden offiziell bestätigt, 1.175 sollen es gewesen sein. Vielleicht war die Zählung von Tausenden Beinchen zu kompliziert?
Bayern gilt als Herzland des Dackels, München als heimliche Dackelhauptstadt, für die der Grafiker Otl Aicher 1972 das passende Olympia-Maskottchen namens „Waldi“ kreierte. Inzwischen trifft sich die Dackel-Community weit jenseits des konservativen Loden-Chics auch in Metropolen wie London, New York und Paris. Etwas despektierlich heißt das Event an der Seine „Sausage Walk“. Als Weenie, Wiener oder Sausage Dog wird der Dackel auf Englisch seiner Körperform wegen zur Wurst erklärt, desgleichen als spanischer perro salchicha oder französischer chien saucisse, wörtlich übersetzt eben: Wursthund. Fragt sich nur: freches oder armes Würstchen?
DROHENDES DACKELVERBOT
Denn ganz einhellig ist die Begeisterung für den Dackel nicht. Die Tierrechtsorganisation Peta etwa prangert rassespezifische Anfälligkeiten für schwere Erkrankungen an, spricht von „Qualzucht“. Als im vergangenen Jahr Details zur geplanten Überarbeitung des Tierschutzgesetzes bekannt wurden, war schnell vom drohenden Dackelverbot die Rede. Die Wogen schlugen hoch, weltweit gab es Schlagzeilen. Nicht über jedes innenpolitische Vorhaben in Deutschland berichten BBC, CNN und die New York Times, hier aber ging es um die Wurst, also den Dackel, in seinem Mutterland. Wie es unter der neuen Bundesregierung mit der Gesetzesnovelle weitergeht, ist offen.
Ein verbreiteter Irrtum soll zur Ehrenrettung des Dackels aufgeklärt werden. Immer wieder gibt es Medienberichte, denen zufolge AfD-Mitgründer Alexander Gauland eine Dackelkrawatte trug, als er nach der Bundestagswahl 2017 zur Jagd auf etablierte Politiker blies. Den oft zur Schau getragenen Schlips des Rechtspopulisten aber zierten erkennbar größere Hunde. Lässt der Dackel sich politisch vereinnahmen, ist er gar lebender Bestandteil rechter Codes? Behauptet wird das schon mal, belegt ist es nicht.
Die Webseite des 1932 gegründeten Dachshund Club of California zeigt drei Dackel, die mit ihrem Surfboard auf den Wellen reiten. Wer das Bild betrachtet, begreift: Dackel sind einfach nur cool. Und machen ihr Ding.








