Elsass, meine Liebe

Typisch Frankreich So französisch, so deutsch – und doch so eigen.

Illustration: Jill Senft
Illustration: Jill Senft

Ach so, nur das Elsass“, seufzte eine Freundin enttäuscht, als sie erfuhr, ich würde nach Straßburg ziehen. Andere sagten: „Na ja, die Elsässer sind ja nicht so richtig französisch.“ Oder fragten: „Sprechen dort nicht alle Deutsch?“ Doch nicht nur so manche Deutsche können die Region im Nordosten Frankreichs schlecht einordnen. Sogar der amerikanische Fernsehsender CNN behauptete kürzlich, Straßburg läge in Germany. Und auch waschechte Franzosen haben Mühe – besonders mit der Aussprache elsässischer Ortsnamen wie Ichtratzheim oder Oberschaeffolsheim. Was so unfranzösisch klingt, meinen sie vielleicht, kann unmöglich zur Grande Nation gehören.

Tatsächlich kann man durcheinander kommen, wenn man sich die bewegte Geschichte des kleinen Landstrichs anschaut. Allein zwischen 1870 und 1945 wechselten die Elsässer viermal die Nationalität. Und jedes Mal mussten sie die vorherige Identität und Sprache komplett ablegen. Mein Schwiegervater wurde als Schuljunge noch körperlich gezüchtigt, wenn er auf dem Schulhof Elsässisch sprach. So motiviert lernte er schnell Französisch. Nur wenn er flucht, rutschen ihm heute noch deutsche Schimpfwörter heraus. Nach einem Wochenende bei den Großeltern kann es daher vorkommen, dass meine Vierjährige begeistert „Gottverdamminochamol“ durch den Hausflur ruft. Damit ich nicht schimpfe, gibt sie mir dann „en decker Schmoutz“, was auf Elsässisch so viel wie „dickes Küsschen“ bedeutet.

Der Elsässer sei eben vom Temperament her Germane: derb und etwas schwerfällig, erklärte schon 1951 der elsässische Schriftsteller Frédéric Hoffet in seinem Oeuvre „Psychoanalyse des Elsass“. Doch Gott sei Dank habe sich das über die Jahrhunderte durch den französischen Einfluss abgeschliffen. Der Elsässer sei damit ein Mischwesen: immer deutsch und französisch zugleich.

Weder noch, behauptete dagegen der vor Kurzem verstorbene elsässische Zeichner und Buchautor Tomi Ungerer. „Ich bin mein eigenes Heimatland. Mein Taschentuch ist meine Flagge“, scherzte er und bummelte zeit seines Lebens durch die Welt: New York, Kanada, Irland. Im Herzen blieb er dabei immer Elsässer. Als solcher sei er „entwurzelt, verwurzelt, aber mit Wurzeln“ und habe die besten Voraussetzungen zum Weltbürger – da er sich fast überall mit beinahe jedem arrangieren könne.

Die Autorin lebt seit 2009 in Straßburg und arbeitet als freie Journalistin.

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