West-London, 1989. In einem hippen Musikstudio findet eine der letzten großen Partys des Jahrzehnts statt. „Überall Celebrities, im ganzen Raum tanzen die Leute, es geht zu wie auf dem Rummel“, schrieb Musikjournalist Chris Heath im finalen Absatz seines Porträts „Pet Shop Boys, Literally“. Für das Buch, das die BBC als „eine der besten Biografien der Popmusik“ bezeichnete, begleitete er die Band mehrere Monate auf Tour. In jener ekstatischen Nacht beobachtete er die Musiker Neil Tennant und Chris Lowe noch einmal ganz genau: „Chris stürmt umher, tanzt und plappert wie wild, mit einem wahnsinnigen Strahlen im Gesicht.“ Als gegen sechs Uhr morgens das Licht angeht und der DJ die Musik abdreht, verabschiedet sich Lowe hastig. Seine letzten Worte sind gleichzeitig die letzten des Buchs: „Irgendwo soll es noch eine Party geben. Und die fängt gerade erst an.“ Die Szene lässt sich rückblickend leicht als sinnbildlich für die Karriere der Pet Shop Boys betrachten. Denn an ihre sensationellen Erfolge in den 1980ern, die sie mit Synthpop-Hymnen wie „West End Girls“ und „It’s a Sin“ feierten, knüpften sie in den 1990ern nahtlos an. Bis heute werden die Briten im Guinnessbuch der Rekorde als „erfolgreichstes Popduo der Musikgeschichte“ geführt.
Mehr als kühles Kalkül
Natürlich wollte der Autor mit seinen Beobachtungen seinerzeit nicht Orakel spielen. Chris Heath hob ausschweifende Szenen wie in London aus einem anderen Grund hervor: Ihm war daran gelegen, das Image der Pet Shop Boys, die vielen wegen der Ästhetik ihrer Live-Auftritte und Videoclips als unnahbare, entrückte Kunstfiguren galten, etwas zu korrigieren. So wie er sie auf Tour erlebte, waren Tennant und Lowe äußerst geerdete Typen mit einem feinen britischen Humor, noch dazu hellwach, was politische Themen betrifft – und sich dabei nie zu schade, auch mal anzuecken. Diese Erkenntnis nannte Heath „einen weiteren Todesstoß für jeden, der glaubt, dass die Pet Shop Boys ihre Karriere allein mit kühlem Kalkül und mit einem ausgeprägten Sinn für Strategie und Imagebildung angegangen sind“. Genau diesen Eindruck bestätigen Tennant und Lowe auch mit launigen Interviews in der ARTE-Dokumentation, die im Juni auf ihre 40-jährige Bandgeschichte zurückblickt.
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