Roland Emmerich hätte auch im Baumarkt arbeiten können. „Geht nicht, gibt’s nicht“ schien von Anfang an sein Motto zu sein. Nein, das Familienmotto sogar. Sein Vater und sein Onkel hatten 1948 Motorsprühgeräte erfunden, die Landwirte und Winzer auf dem Rücken tragen konnten – und wurden damit reich. Später folgten Rasenmäher, Motorsägen und Mofas. Doch der junge Roland malte in der Schulzeit surreale Bilder à la DalÍ. Einen künstlerisch ambitionierten Sohn, das musste eine bodenständige Unternehmerfamilie in den 1970er Jahren auch erst mal aushalten. Mit 21 trug er dann theatralisch seine Jugendzeit zu Grabe – in einer aufwendigen Inszenierung legte er sich in einen Sarg und ließ diesen beisetzen, nur um wenig später zur Verblüffung der Gäste auf der eigenen Party zu tanzen.
Emmerich wusste es damals noch nicht, aber er hatte seine Berufung gefunden: andere zu unterhalten mithilfe einfallsreicher Tricks. Das Budget für seine Abschlussarbeit an der Münchner Filmhochschule einige Jahre später betrug 20.000 D-Mark (umgerechnet gut 10.000 Euro). Emmerich jedoch verballerte für „Das Arche Noah Prinzip“ gut eine Million, also mehr als das 50-fache. Finanzielle Unterstützung gab es von Produzent Bernd Eichinger, und als es ganz eng wurde, auch von Vater Emmerich. Das Werk wurde in 20 Länder verkauft und spielte letztlich die Produktionskosten wieder ein. Die Kritik dagegen war nicht begeistert: US-inspiriertes Actionkino aus Deutschland – was soll das, wer braucht das?
Doch Roland Emmerich ließ sich nicht beirren. Die nächsten drei Filme drehte er zwar noch in Deutschland, aber schon auf Englisch, um sie international besser vermarkten zu können. Die Presse nannte ihn „Spielbergle“: die schwäbische Mini-Version seines Vorbilds Steven Spielberg. Das ärgerte Emmerich, und so war es ihm nur recht, als Hollywood rief. 1992 kam „Universal Soldier“ ins Kino, zwei Jahre später „Stargate“, dann 1996 „Independence Day“, der Rest ist Geschichte. „Erfolg im ICE-Tempo“, nannte sein Vater das. Statt sich auf andere zu verlassen, baute sich Emmerich direkt sein eigenes Ökosystem: Früh hatte er mit seiner jüngeren Schwester Ute eine eigene Produktionsfirma gegründet, kümmerte sich selbst um die Finanzierung der Filme, arbeitete mit langjährigen Freunden zusammen. Vom Vater hatte er gelernt, möglichst wenig Rechte abzutreten.
Je weniger Mitinhaber, desto weniger Reingerede. Um Entertainment nach seinen eigenen Vorstellungen realisieren zu können, erarbeitete Emmerich von Anfang an seine eigenen Drehbücher. Deren Erfolgsformel: Eine ebenso verrückte wie tiefgreifende Idee sorgt dafür, dass möglichst viel auf dem Spiel steht – am besten gleich das Überleben der Menschheit. Dann muss eine Handvoll mehr oder weniger normaler Leute, die eigentlich irgendetwas anderes vorhatten, die Kastanien aus dem Feuer holen. Währenddessen fliegt rechts und links so viel in die Luft, wie die jeweils aktuelle Tricktechnik hergibt.
Bombastästhetik und humorvoller Pathos
Steven Spielberg hatte mit „Der weiße Hai“ (1975), „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ (1977), „Jäger des verlorenen Schatzes“ (1981) und „E. T. – Der Außerirdische“ (1982) die Kinogenres Action und Science-Fiction revolutioniert. Der deutsche Nachwuchs-Regisseur ergänzte zwei Elemente, die heute als unverzichtbare Standards gelten: Bombast-Ästhetik und humorvoller Pathos. Wie gewitzt Will Smith und Jeff Goldblum in „Independence Day“ die Erde vor Aliens retten, hat bis heute einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Action-Kino.
2001 wurde bei Emmerich ein Hirntumor festgestellt. Daher die lange Narbe, die sich bis auf seine Stirn zieht. „Ich wollte noch etwas Gutes für die Welt tun. Das sollte auf meinem Grabstein stehen.“ Der Blockbuster „The Day After Tomorrow“ machte die Klimakrise bereits 2004 zum Mainstreamthema. Das Umweltschutz-Motiv lässt sich zurückverfolgen über den Erstling „Das Arche Noah Prinzip“ bis in die Elterngeneration: 1972 brachte sein Vater das weltweit erste Elektro-Mofa heraus. Die digitale Weiterentwicklung der Tricktechnik ermöglichte es Emmerich später, mit überschaubarem Einsatz bildgewaltige Historienfilme zu drehen, dadurch konnte er sich wiederum Herzensprojekte wie „Anonymus“ (2011) oder „Stonewall“ (2015) leisten.
Das Privatleben des Regisseurs fällt deutlich weniger explosiv aus als sein Œuvre. Er heiratete 2017 seinen rund 30 Jahre jüngeren Freund Omar De Soto, reist gern, sammelt Penis-Skulpturen. Wäre Emmerichs Leben ein Film, dann ginge der vielleicht so: Ein junger Mann steht vor einer kleinen Leinwand und malt wilde Bilder. Jahrzehnte später sitzen viele Menschen in vielen Kinosälen und sehen seine wilden Bilder auf der großen Leinwand. Happy End.






