»Labiles Gleichgewicht«

​Ein Jahr nach dem Sturz des Assad-Regimes steht Syrien am Scheideweg. Wohin steuert das Land? Der Politikwissenschaftler ­­André Bank schildert seine Eindrücke aus Damaskus.

Zerrissene Flagge aus der Assad-Diktatur.
Nach dem Ende von 45 Jahren Assad-Diktatur steht Syrien an einem Wendepunkt: Zwischen Hoffnung auf Wandel und neuer Gewalt sucht das Land nach Stabilität. Foto: Chris McGrath/Getty Images

Am 8. Dezember 2024 brach auf Syriens Straßen Jubel aus: Nach 54 Jahren brutaler Herrschaft wurde das Assad-Regime innerhalb weniger Tage gestürzt und der 13-jährige Bürgerkrieg für beendet erklärt – ein historischer Wendepunkt. Für Millionen Binnenvertriebene und Geflüchtete verband sich damit die Hoffnung auf Rückkehr. Die sunnitisch-islamistische Organisation ­Haiat ­Tahrir al-Scham (HTS) übernahm die Macht, ihr Anführer ­Ahmed ­al-Scharaa wurde Übergangspräsident. Während die Aufhebung westlicher Sanktionen wirtschaftliche Hoffnungen weckte, verdeutlichten Gefechte zwischen Regierungstruppen und religiösen Minderheiten im März und Juli 2025, wie fragil die Sicherheitslage bleibt. Wie lebt die Bevölkerung nach dem Ende der Diktatur – und welche Zukunft hat das Land? Die Dokumentation „Syrien nach Assad“ beleuchtet die aktuelle Situation, der Politikwissenschaftler ­André Bank berichtet im Gespräch mit dem ARTE Magazin aus Damaskus.

ARTE Magazin Herr Bank, wie empfinden Sie derzeit die Stimmung auf den Straßen in Damaskus? Welche Themen prägen die alltäglichen Gespräche der Menschen?

André Bank Die Stimmung in Damaskus schwankt zwischen Erleichterung über das Ende der Assad-­Herrschaft und Sorge um die ungewisse Zukunft. Im Alltag dominieren Themen wie steigende Preise, Wohnungsmangel und die unsichere Versorgung mit Wasser und Strom. Auffällig ist das Verschwinden der einst allgegenwärtigen Assad-­Bilder und -Statuen. Zudem sind auf den Straßen deutlich weniger Sicherheitskräfte zu sehen – statt zehntausender patrouillieren nur noch einige tausend, vorwiegend aus den Reihen der HTS. Da der Übergangsregierung die finanziellen Mittel fehlen, stockt der staatliche Wiederaufbau. Dafür ist es beeindruckend zu sehen, wie viele Menschen, besonders in den von der Assad-­Diktatur und ihren Verbündeten Russland und Iran stark zerstörten östlichen und südlichen Stadtteilen, in Eigeninitiative versuchen, ihre Häuser und ihr Leben neu aufzubauen.

Syrien nach Assad: Kampf um die Zukunft

Gesellschaftsdoku

Dienstag, 2.12.
—22.25 Uhr
bis 31.12. auf arte.tv  

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