Beim Betreten von Maya Lasker-Wallfischs Wohnung ist die Vergangenheit allgegenwärtig: Überall hängen Bilder ihrer Vorfahren. Die Psychotherapeutin und Autorin befasst sich mit transgenerationalen Traumata – und ist selbst davon betroffen. Ihre deutsch-jüdische Mutter, Anita Lasker-Wallfisch, überlebte den Holocaust als Cellistin im Mädchenorchester von Auschwitz. Ihr Vater, der Pianist Hans Peter Wallfisch, floh aus Breslau nach Palästina. Nach dem Zweiten Weltkrieg emigrierte das Paar nach Großbritannien, wo ihre Tochter zur Welt kam.
ARTE Magazin Frau Lasker-Wallfisch, was passiert bei einer Traumaübertragung?
Maya Lasker-Wallfisch Es beschreibt das Phänomen, dass sich Traumata oft unbewusst vererben. Nicht unbedingt an alle Kinder, aber oft an eines. Und in meiner Familie war ich das. Das Konzept ist relativ neu – die meiste Zeit meines Lebens, bis vor etwa 20 Jahren, wurde ein solches Trauma nicht wirklich thematisiert. So fühlte ich mich immer sehr fehl am Platz. Man glaubte lange, dass nur die Menschen, die den Horror des Zweiten Weltkriegs direkt erlebt haben, von Traumata betroffen sind. Als er endete, hofften alle, damit abzuschließen – aber so einfach war das natürlich nicht.
ARTE Magazin Ihre Mutter hat lange nicht über ihre Erfahrung in Auschwitz gesprochen. Wie können Traumata still weitergegeben werden?
Maya Lasker-Wallfisch Meiner Erfahrung nach ist eines der häufigsten Probleme die fehlende Zuneigung eines Elternteils. Nicht aus böser Absicht, sondern weil schmerzvolle Erinnerungen etwas blockieren. Das kann zu einem destruktiven Verhalten beim Kind führen. Man nimmt Dinge unterbewusst durch Metakommunikation wahr. Ich habe das Gefühl, dass meine Mutter seit Auschwitz ohne ein Körpergefühl gelebt hat. Das hat dazu beigetragen, dass sie sich nicht körperlich mit mir auseinandersetzte. Erst als sie krank wurde, mit 99 Jahren, hat sich ihre Beziehung zu ihrem Körper verändert.
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