Die Mom der Rodeo Tanzparty

Dolly ­Parton steht gern Patin für den neuen Hype ­um Countrymusik – und verweigert dem rückwärtsgewandten Trumpismus ihre Gefolgschaft

Die junge Dolly Parton lächelt in die Kamera.
Mehr als 1.000 selbst geschriebene Songs und 100 Millionen verkaufte Alben: Countrystar Dolly Parton fasziniert – mit ihrem Leben, ihrer Musik und vor allem ihren Texten, die von den Widersprüchen des Lebens in den heutigen USA geprägt sind. Foto: Foto: picture alliance/ASSOCIATED PRESS

Sie werde niemals öffentlich die Tagespolitik kommentieren, sagt die Sängerin ­Dolly ­Parton immer wieder in Interviews. ­Parton, 79, aus Tennessee, Superstar und Urgewalt der Countrymusik, hat trotzdem ihre Meinung zu den Themen. Aber, so erklärt sie, wer im US-Showbusiness langfristig geliebt werden wolle, sei besser beraten, den Mund zu halten.

Als Donald Trump Ende Februar dem ukrainischen Regierungschef ­Wolodymyr ­Selenskyj in wirrem Furor die Solidarität aufkündigte, wurde allerdings auf TikTok und X ein spezielles Parton-­Video hunderttausendfach geschaut. Es stammt aus 2022, zeigt die Künstlerin im silbernen Discokugel-Outfit auf der Bühne. Bevor es heute Abend losgehe, hört man sie sagen, habe sie noch eine Botschaft: „Lasst uns den Brüdern und Schwestern in der Ukraine all unsere Liebe und Hoffnung senden!“ Es ist ein Bekenntnis zum weltoffenen, universell denkenden Amerika.

Wie politisch Dolly Parton tatsächlich seit Beginn ihrer Karriere war, wie energisch sie sich für Frauenrechte, freie Wissenschaft und die LGBTQ+-Community einsetzte, ohne große Reden zu halten, zeigt beispielhaft die neue Dokumentation „­Dolly ­Parton: Everybody’s Darling“. Sie ist zugleich ein Indiz dafür, dass ausgerechnet ­Parton, das Nashville-­Gewächs, die frühe Prophetin einer völlig neuen Countrymusik war. Einer generalüberholten Rodeo-Tanzparty, die heute viele Popkanäle beherrscht. Und die Reichweite der uralten Kunst radikal erweitert hat.

­Beyoncé ­Knowles wurde hier zur Anführerin. Für ihr Album „­Cowboy ­Carter“, dessen Cover sie hoch zu Ross zeigt, mit Stetson-Hut und US-Flagge, gewann sie dieses Jahr den Grammy für die beste Countryplatte. Was für eine Künstlerin, die aus der Black Music kommt, ein absolutes Novum bedeutete. Rein musikalisch ist „Cowboy Carter“ zwar über weite Strecken klassischer R’n’B-Pop. Aber es ging der Jury wohl vor allem ums Statement. Die Countrybezüge, die ­Beyoncé in der Ästhetik und in einigen Songs implementierte, sollten mit einem Vorurteil aufräumen: Obwohl Squaredance und Pferdekoppel-Fiedelei meist als weiße Traditionen gefühlt und gefeiert werden, haben sie – wie Jazz, Blues oder Disco – ihre Wurzeln in der Kultur der Black Community. Bei „Cowboy Carter“ ging es darum, die Geschichts­vergessenheit zu zeigen, die in bestimmten Grenzziehungen steckt, und sie mit ein paar Hüftschwüngen einzureißen, so weit wie möglich. Dass ­Dolly ­Parton bei ­Beyoncés Version ihres Hits „­Jolene“ als Ansagerin zu hören ist, überrascht kaum.

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