»Dann schießt dir Luft in die Lunge«

Mit improvisierter Tauchausrüstung suchen Schürfer am Meeresboden des Westpazifiks nach Gold. Dokumentarfotograf Claudio Sieber begleitete sie.

Ein Schürfer macht sich bereit für seine Schicht unter Wasser. Foto: Claudio Sieber

Das Dorf Pinut-an liegt im Süden der philippinischen Insel Leyte. Das Glück der Bewohner: Vor ihrer Küste gibt es ein natürliches Vorkommen an Gold. Seit Jahrzehnten tauchen die Menschen mit einfachen Mitteln, um Kleinstmengen des Edelmetalls zu gewinnen. Die auf einer Fotoreportage von ­Claudio ­Sieber basierende ARTE-Dokumentation „Die Goldtaucher der Philippinen“ erzählt die Geschichte der Schürfer. Im Gespräch mit dem ARTE Magazin blickt der Fotograf auf seine Erlebnisse zurück.

Die Goldtaucher der Philippinen

Gesellschaftsdoku

Sonntag, 5.2. — 19.30 Uhr
bis 6.3. in der Mediathek

arte Magazin Herr Sieber, wie sind Sie auf die Geschichte der Goldtaucher aufmerksam geworden?

Claudio Sieber Eine gute Freundin aus den Philippinen erzählte mir eines Abends von den Schürfern aus Pinut-an und von ihrem Onkel, der früher selbst nach Gold getaucht ist: Ernie. 2019, kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie, wollte ich mir das genauer anschauen. Also habe ich die Kamera eingepackt und bin dorthin gereist. Zwei Wochen habe ich bei Ernie gewohnt – und eine wirklich besondere Gastfreundschaft erfahren. Er hat mir seine Geschichte erzählt und mich Tauchern vorgestellt, die mir ihre Arbeit gezeigt haben. 

arte Magazin Wie die Goldschürfer sind Sie mit einer selbst gebastelten Ausrüstung unter Wasser gegangen. Wie funktioniert die Technik dahinter – und wie hat sich das Tauchen damit angefühlt?

Claudio Sieber Ganz ehrlich: Es fühlt sich erst mal an wie ein Selbstmordkommando. Du bekommst einen langen Schlauch, der vom Kompressor zu dir führt. Den muss man zwischen die Zähne klemmen. Wenn man den Mund etwas öffnet, kann man atmen. Aber wenn du ihn zu sehr aufmachst, schießt dir die Luft so richtig in die Lunge. Um die Taille kommt ein Gewichtsgürtel mit Steinen. Die selbst gebastelten Taucherbrillen aus Holz, sogenannte Antipara, sind total unbequem, da strömt oft Wasser durch. Und gegen die Strömung sollen improvisierte Flossen helfen. Manche Goldtaucher tragen auch einen Helm, vor allem in den Unterwasserstollen. Beim Schürfen nutzen sie Kokosnussschalen als Schaufeln, manchmal haben sie auch große Säcke und Brechstangen dabei. Für sechs bis acht Stunden bleiben die Taucher dann unter Wasser, in 15 bis 20 Meter Tiefe. Das machen sie 20 oder 30 Jahre lang. Es ist wirklich ein Wahnsinn.

 

In Säcken lagern die Taucher Sand mit relativ hohem Goldgehalt, um ihn am Strand zu waschen. Foto: Claudio Sieber

arte Magazin Wie haben Sie es geschafft, das Vertrauen der Taucher zu gewinnen? 

Claudio Sieber Die meisten Filipinos sind alles andere als kamerascheu. Aber natürlich habe ich erst mal versucht, die Menschen in Pinut-an richtig kennenzulernen. Der persönliche Draht ist wichtig – jeder im Dorf sollte wissen, was ich da mache und wieso. Ich habe den Tauchern erklärt, dass ich professionell fotografiere und ihre Arbeit gerne dokumentieren würde. Wenn ich ein bisschen Zeit mit jemandem verbringe, baut sich relativ schnell Vertrauen auf. Abends, nach der Arbeit, saßen wir zum Beispiel öfters zusammen und haben den ein oder anderen Rum am Strand getrunken. So etwas hilft.

arte Magazin Was zeichnet einen guten Dokumentarfotografen ansonsten aus? 

Claudio Sieber Die Fotografie ist die universellste Sprache, die wir Menschen haben. Man schaut ein Foto an und kann in eine andere Welt eintauchen: Du spürst, wie andere Menschen leben, wie sie arbeiten, wovor sie Angst haben, was sie als Glück definieren – all das kann Dokumentarfotografie veranschaulichen. Mit meiner Arbeit will ich Wissenslücken schließen und über Dinge berichten, die auch in Europa wichtig sein sollten. Wer seinen Urlaub auf den Philippinen verbringt, sollte zumindest eine Idee davon haben, wie manche Filipinos ihren Lebensunterhalt verdienen. 

arte Magazin Dank Smartphones und Social Media leben wir in einer Zeit der Bilderflut. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus? 

Claudio Sieber Nur weil man jetzt ein Foto mit seinem Handy machen kann, heißt das nicht, dass man professioneller Fotograf ist. Das eine wird das andere nicht ersetzen. Gute Dokumentarfotografie braucht viel Zeit. Wenn man sich auf ein Thema konzentriert, es aus allen Richtungen beleuchtet, hebelt das die Bilderflut aus. Mittlerweile haben viele Menschen das Gefühl, schon über alles und jeden hundertmal gelesen zu haben. Dokumentarfotografen suchen daher immer wieder neue Protagonisten und erzählen aus frischen Blickwinkeln und Perspektiven.

 

­Ernie ­Gaylo ist früher selbst getaucht, heute teilt er seine Erfahrungen und kauft das Edelmetall an. Foto: Claudio Sieber

Gold

Geschichtsdoku

Samstag, 18.2. — 20.15 Uhr
bis 18.5. in der Mediathek