Als Buckminster Fuller in den 1960er Jahren der Fachwelt Triton City vorstellte, löste er erst mal ungläubiges Staunen aus. Der US-amerikanische Architekt, Designer und Futurist hatte ein urbanes Paradies auf dem Wasser entworfen – eine schwimmende Stadt, in der anfangs rund 5.000 Menschen wohnen sollten, später bis zu 100.000. Fuller hatte an alles gedacht, damit die Stadt autark sein würde: Energieerzeugung, Wasseraufbereitung, Landwirtschaft, Transport, Entsorgung, Polizei, Feuerwehr, Krankenversorgung – und mehr. Doch obwohl die damalige US-Regierung das Vorhaben förderte und die Stadt Baltimore in der Flussmündung Chesapeake Bay bereits einen Ort für den Bau von Triton City ausgewählt hatte, scheiterte das Projekt am Ende an finanziellen sowie technischen Hürden. Die damals gebräuchlichen Baustoffe erwiesen sich als ungeeignet, um eine derart gigantische Struktur sicher auf dem Meer zu errichten.
Fullers Idee überlebte dennoch und dient Architekten und Stadtplanerinnen heute als Blaupause, um Küstenregionen bewohnbar zu halten, die vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht sind. Ein Beispiel dafür ist die Maldives Floating City. Sie besteht aus modularen, miteinander verbundenen Pontons, auf denen eine Vielzahl unterschiedlicher Gebäude errichtet wird: Wohnhäuser, Verwaltungszentren, Geschäfte, Restaurants und mehr. Wenn alles klappt, sollen dort ab Ende der 2020er Jahre bis zu 20.000 Menschen ein Zuhause finden.
Angeschoben hat das maritime Bauvorhaben Mohamed Nasheed, ehemaliger Staatspräsident der Malediven und eine der prominentesten Stimmen im globalen Klimadiskurs. „Ich wollte nicht warten, bis der Ozean in zehn oder zwanzig Jahren unsere Inseln verschluckt“, sagt Nasheed. „Angesichts der Zurückhaltung der Industrieländer, wenn es um finanzielle Unterstützung von Inselstaaten wie den Malediven geht, die durch den Klimawandel bedroht sind, mussten wir selbst die Initiative ergreifen und uns geeignete Partner suchen.“
Einer dieser Partner ist das Planungsbüro Waterstudio aus Delft. Das Unternehmen hat bereits an etlichen Orten schwimmende Siedlungen entwickelt, etwa in den Niederlanden, auf den Bahamas, in Indonesien und in Dubai. In der ARTE-Dokumentation „Zukunft auf dem Wasser“ erläutert Waterstudio-Gründer Koen Olthuis, weshalb er maritime Siedlungen für gut geeignet hält, um vulnerable Regionen für den Anstieg des Meeresspiegels zu wappnen: „Anstatt den immer höher werdenden Fluten zu weichen, müssen wir die Ozeane als erweiterten Lebensraum begreifen. Die dafür nötige Technik, die Baustoffe – all das ist heute, rund 60 Jahre nach Triton City, zum Glück vorhanden.“
HOHE KOSTEN, FRAGILE ÖKOSYSTEME
Das Leben auf dem Wasser ist gleichwohl keine neue Erfindung: Schon vor rund 500 Jahren baute das indigene Volk der Uros im heutigen Peru schwimmende Hütten aus Schilfrohr auf dem Titicacasee, wohl um dort vor den kriegerischen Inkas sicher zu sein. Noch heute wohnen etwa 1.300 Menschen in diesen Siedlungen. Und auf dem Tonlé Sap, einem See in Kambodscha, leben Tausende Angehörige der verfolgten vietnamesischen Minderheit, die kein Land besitzen dürfen. Infolge des schwankenden Wasserpegels heben oder senken sich die auf dem See schwimmenden Dörfer, in denen es sogar Karaoke-Bars, Autowerkstätten und Kliniken gibt, je nach Jahreszeit mal sanft, mal heftig.
Ob die künftige Besiedelung des Meeres nur eine Idee visionärer Stadtplaner bleiben wird, hängt nicht zuletzt von den Kosten ab. „Aufbau und Instandhaltung der Städte auf dem Meer sind teuer, weil spezielle korrosionsbeständige Materialien und solide Ankersysteme benötigt werden“, sagt Waterstudio-Chef Olthuis im Gespräch mit dem ARTE Magazin. Auch die nachhaltigen Ver- und Entsorgungssysteme verursachen hohe Kosten.
UN-Habitat-Direktorin Maimunah Mohd Sharif mahnt deshalb: „Schwimmende Städte dürfen keine exklusiven Enklaven der Reichen werden, während die übrige Bevölkerung den Folgen des Klimawandels ausgeliefert ist. Sie müssen allen Menschen offenstehen, nicht nur der Elite.“
Zudem gilt es, die ökologischen Auswirkungen der Megastrukturen im Meer zu berücksichtigen. „Eingriffe in maritime Ökosysteme sind riskant“, warnt Jean-Baptiste Jouffray, Meeresforscher an der Universität Stanford. „Durch die Verunreinigung des Wassers droht ein Verlust an Biodiversität.“ Bislang gebe es keine rechtlich bindenden Vorschriften, welche Umweltkriterien beim Bau schwimmender Städte beachtet werden müssen. Um zu verhindern, dass der Lebensraum Meer weiter zerstört werde, müssten solche Kriterien dringend entwickelt und von der Staatengemeinschaft beachtet werden.







