Durch die Blume

Darf’s ein bisschen theatralisch sein? Eine neue Generation von Floristen und Designern krempelt das Image des Blumenbouquets um. Ihre Sträuße orientieren sich auch an der Kunst.

gelbe Blumen vor dunklem Hintergrund
Ob für Bälle, Luxusevents oder Hochzeiten: Blumenkünstler und Floristen beschäftigen sich intensiv mit Farben, Texturen und der Kunstgeschichte der Blumen. Foto: Sunnei

Wer über Blumen nachdenkt, kann schnell den Überblick verlieren. Schließlich können sie alles Mögliche sein: Tischdeko etwa, ein religiöses Symbol. Oder eine beliebte Metapher der Dichter und Grußkartenschreiber. Schön anzusehen sind sie fast immer. Dahinter steckt ein Trick der Natur, denn seit Millionen Jahren bilden Pflanzen Blüten aus, um Tiere anzulocken, die ihnen bei der Bestäubung helfen sollen. Je leuchtender die Blütenblätter und je berauschender der Duft, desto größer der Erfolg. Der Effekt funktioniert auch beim Menschen, der sich gerne das Wohnzimmer oder den Garten schmückt. Dementsprechend sind Blumen auch ein gutes Geschäft: Rund 8,6 Milliarden Euro gaben die Deutschen 2023 für Schnittblumen und andere Pflanzen aus. Und längst hat die Blumenkunst ihr liebliches Image ausgebaut. Dahinter steckt eine neue Generation von Floristen und Künstlern, die weltweit die Grenzen zwischen Floralem und Design verwischen. Ihre Arrangements gleichen stürmisch wuchernden Installationen. Sie sind wilder und seltsamer als traditionelle Sträuße und können fast alles enthalten: von hellgelbem Goldregen und rauen Gräsern bis zu violett blühendem Basilikum. Manche bringen noch ganz andere Pflanzen aus dem Gemüsebeet ins Spiel. Ein paar Blätter Grünkohl im Bouquet? Nicht mehr undenkbar.

Dass das funktioniert, hat auch mit Social Media zu tun. „Der Boom um die Neo-Floristen begann auf Instagram“, sagt der Blumendesigner Jean-­Christian ­Pullin im Gespräch mit dem ARTE Magazin. Denn die exotischen Gestecke sind wie gemacht für das Medium, das eine markante Optik belohnt. „Immer mehr Menschen interessieren sich seitdem für Blumen, allein wegen der visuellen Anziehungskraft.“ ­Pullin, der aus Kanada stammt, ist selbst Teil dieses Trends. Mit der Französin ­Amandine ­Cheveau hat er in Berlin das Studio ­Anatomie Fleur gegründet. Sie entwerfen Blumen für Marken, Events oder Kunstausstellungen: dekorativ und theatralisch zugleich. Mal modellieren sie riesige Bahnen Gras, dann drapieren sie ausladende Tulpen oder wächsern glänzende Flamingoblumen. Manches wirkt wie aus einem Ölgemälde gepflückt. Dann wieder fühlt man sich an die Filme von David Lynch erinnert, in denen Schönheit und Groteskes nah beieinanderliegen. „Wir sind Maximalisten und lieben Dekadenz“, sagt ­Pullin. „Darum nutzen wir Referenzen von der Renaissance bis zum Kino.“ Am Ende geht es um die Fantasie: die Stimmung, die eine Blumeninstallation auslöst.

Vorlagen gibt es dafür viele, denn in der Kunst sind Blumen seit Jahrhunderten ein Dauerbrenner. Zwar mag gerade den Stillleben der Ruf des Harmlosen anhängen, doch ob ­Claude ­Monet und seine Seerosen, ­Vincent van Goghs Sonnenblumen oder ­Georgia ­O’Keeffes Iris – Unzählige fanden ihr Sujet im Floralen. Noch viel länger kommen Blumen zum Einsatz, um das Leben zu verschönern. Im alten Ägypten schmückte man sich mit Lotusblüten. Im antiken Griechenland und Rom ehrte man Götter oder Krieger mit Blütengeflecht. Doch nicht immer war solcher Schmuck gern gesehen. „Die Kirche hat im frühen Christentum Blumen erst einmal verboten, um sich von aus ihrer Sicht heidnischen Bräuchen abzugrenzen“, sagt die Kunsthistorikerin ­Franziska Stöhr von der Kunsthalle München im Gespräch mit dem ­ARTE ­Magazin. Schließlich setzte sich aber wohl die Erkenntnis durch, dass die frühlingshafte Wiederkehr des Lebens gut zum christlichen Kontext passt. Fortan wurde etwa ­Maria mit weißer Lilie gezeigt, die Passion Jesu mit roten Rosen illustriert. Die niederländischen Stillleben des 17. Jahrhunderts machten die Blume dann zum eigenen Motiv. Sie signalisierte Luxus und Reichtum, Macht oder Vergänglichkeit, Unschuld oder Liebe. Schon immer hat man Blühendes also als Kommunikationsmittel verstanden.

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Im Rausch der Blumen

Dokureihe

ab Sonntag, 26.1. —
09.30 Uhr
bis 23.1.26 in der
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