Frauen scheinen mit viel Geld nicht klarzukommen“, schrieb die Frauenforscherin Uta Brandes im Jahr 1988, „weil sie immer noch zu gut mit wenig Geld klarkommen.“ Rund 40 Jahre später hat sich – zumindest oberflächlich – etwas getan: Der Gender Pay Gap ist nicht verschwunden, aber immerhin von 28 auf 18 Prozent geschrumpft. Und das Bewusstsein für Geschlechtergerechtigkeit ist bei vielen Menschen gewachsen. Börsenguru André Kostolany (1906–1999) behauptete einmal: „Der Mann ist geschaffen, um das Geld zu machen, und die Frau hält die Kasse.“ Solche Aussagen wirken heute aus der Zeit gefallen, zumal das klassische Ehemodell keine sichere Bank mehr darstellt – in Deutschland wird jede dritte Ehe geschieden.
Frauen tun also gut daran, wenn sie auch langfristige Finanzentscheidungen wie die Altersvorsorge selbst in die Hand nehmen. Verschiedene Studien deuten jedoch darauf hin, dass die Mehrheit genau das nicht tut. Eine Umfrage der Schweizer Großbank UBS ergab, dass zwei von drei Frauen wichtige Finanzfragen lieber dem Partner überlassen. Sie wissen zwar, dass sie mehr für ihre finanzielle Absicherung tun müssten, haben aber oft das Gefühl, ihr Finanzwissen sei zu gering, um selbst aktiv zu werden.
Diese Zurückhaltung zeigt sich auch auf dem Kapitalmarkt: Wie der sogenannte Gender Investment Gap zeigt, legen Frauen ihr Geld seltener als Männer in Aktien oder Investmentfonds wie ETFs an. Deutschland bildet dabei keine Ausnahme: Laut einer aktuellen Studie der Universität Mannheim investiert jeder dritte Mann sein Geld aktiv. Bei den Frauen sind es nur 17,6 Prozent. Die Gründe dafür sind vielfältig. So haben Frauen faktisch immer noch weniger Geld zur Verfügung. Wie die ARTE-Dokumentation „Ist Geld Männersache?“ im März zeigt, sind sie häufiger in Berufen tätig, die schlechter bezahlt werden. Sie leisten mehr unbezahlte Care-Arbeit und arbeiten öfter in Teilzeit. Bis zum Eintritt in den Ruhestand erreichen Frauen deshalb im Schnitt nur 76 Prozent des Vermögens von Männern.
Doch die Tatsache, dass Frauen seltener Geld investieren, hat nicht nur wirtschaftliche Gründe. Trotz der Vermögenslücke schaffen es nämlich 79 Prozent von ihnen, regelmäßig Geld zur Seite zu legen – nur eben nicht genügend gewinnorientiert. Die Folge: „Geld, das auf dem Konto liegt, verliert an Wert, während es sich am Kapitalmarkt potenziell vermehrt“, sagt Alexandra Niessen-Ruenzi im Gespräch mit dem ARTE Magazin. Die Ökonomin forscht zu geschlechtsspezifischen Unterschieden an Finanzmärkten und ist überzeugt, dass der Gender Investment Gap mit der unterschiedlichen Sozialisierung von Männern und Frauen zusammenhängt. Das beginne bereits im Kindesalter. „Mit Töchtern wird im familiären Kontext seltener über Geld gesprochen als mit Söhnen“, sagt Niessen-Ruenzi. Ihre Studie hat ergeben, dass diese Tendenz ein Leben lang anhält: Während Männer im Freundes- oder Bekanntenkreis über Finanzen und Geldanlagen reden, spielt das Thema bei Frauen seltener eine Rolle.
Ein weiterer Grund ist, dass Frauen von der Finanzbranche lange nicht als potenzielle Anlegerinnen erkannt wurden. Ein Monitoring der Banken- und Finanzwerbung aus den zurückliegenden 50 Jahren ergab, dass 80 Prozent der darin auftretenden Schauspieler männlich sind. „Frauen kommen, wenn überhaupt, in stereotypen Rollen vor, als Hausfrauen oder mit Kind im Arm“, sagt Niessen-Ruenzi. In jüngster Zeit hätte der Finanzmarkt Frauen zwar als Kundinnen entdeckt und mit „Female Finance“ einen lukrativen Branchenzweig eröffnet. Hier rät die Expertin jedoch zu Vorsicht. „Von Finanzprodukten exklusiv für Frauen halte ich gar nichts“, sagt sie. Seriöse Bildungsangebote, etwa von Volkshochschulen, die auf die Finanzziele von Frauen zugeschnitten sind, seien hingegen eine gute Möglichkeit, um Barrieren abzubauen. Die Vorstellung, Männer würden am Finanzmarkt höhere Renditen erzielen, sei im Übrigen Unsinn. Wie gut jemand anlegt, sei keine Frage des Geschlechts, sondern der finanziellen Bildung.
Wenn es nach der Ökonomin geht, sollten Themen wie Geldanlage und Altersvorsorge deshalb bereits in der Schule besprochen werden. So könne man bereits früh den Grundstein für finanzielle Bildung legen – „nicht nur geschlechterunabhängig, sondern auch für Kinder, die aus bildungsfernen Haushalten stammen“. Die Idee, dass tatsächliche Chancengleichheit ausgerechnet am Kapitalmarkt schon bald realisiert wird, mag illusorisch wirken. Es nicht zu versuchen, bleibt dennoch die schlechteste aller Optionen.
Wie gut jemand Geld anlegt, ist keine Frage des Geschlechts, sondern der finanziellen Bildung.